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Artige St(r)icheleien

■ Deutsche Karikaturen aus Ost und West im Rathaus von Köpenick — es gibt nicht viel zu lachen

Die Welt scheint voller Bilder, die weismachen wollen, alles zu zeigen. Hochglanzmagazine und Zeitungen avancieren zu monatlichen und täglichen Katalogen vom Schönen und Entsetzlichen. Finden da Zeichner, Karikaturisten, Cartoonisten noch Platz für hinterlistige Stricheleien? Ja doch, es gibt ihn, niemand soll es bestreiten — und auch Themen gibt es wie Sand am Meer. Zum Beispiel: »Geld«.

Daran hängt die Welt, danach drängt die Welt, auch Karikaturisten schrecken davor nicht zurück. Kostprobe: Ein dicklicher, bebrillter Herr bleibt plötzlich stehen — »Zunächst dachte der Lottokönig, er rieche nach Schweiß. Doch dann fiel ihm ein, er war ja stink-reich!« Gerhard Glücks Cartoon, der ihm einen Sonderpreis des Eulenspiegel Verlags beim »1.Karikaturensommer der Cartoonfabrik e.V. Cöpenick« einbrachte, ist ein beredtes Beispiel: Der Strichkunst wird's gemütlich. Die Unverfrorenheit, der Schuß an Bösartigkeit, ist abhanden gekommen.

Das große Thema mutiert zur Illustration des Wörterbuchs der deutschen Umgangssprache. Anstatt den Volksweisheiten den Garaus zu machen, verzieht sich das Lachen heimlich still und leise. »In aller Welt mag man uns, das macht unser sprichwörtlicher Scharm.« Ein Cartoon von Heinz Behling, der Herrn 50-Mark- und Frau 20-Mark-Schein beim Italientrip ertappt. Vom »Geld« im allgemeinen und besonderen haben sich auch F.-W. Bernstein, Til Mette, Rainer Schwalme, Freimut Wössner, Klaus Ensikat, Erich Rauschenbach, Jiri Danek, Papan und andere aus Ost und West inspirieren lassen, 800 Arbeiten alles in allem.

Ihre artigen St(r)icheleien präsentieren die »Cartoonfabrik« und das Bezirksamt Köpenick zwischen Sozialamt und Personalverwaltung auf der Bel Etage im Rathaus. Das sorgt fürs nötige historische Ambiente, verfügte doch dort anno 1906 der falsche Hauptmann Wilhelm Voigt die Beschlagnahme der Stadtkasse und erlangte so sprichwörtliche Berühmtheit. Eine Jury, zu der Rolf Dieckmann vom Stern und Rolf Lonkowsky vom Eulenspiegel gehörten, vergab drei Hauptpreise an Til Mette aus Bremen, den Ostberliner Rainer Schwalme, Rudi Hurzlmeier aus München und einige Trostpreise, genannt Spezialpreise. Denn: »Geld allein macht ja noch nicht unglücklich«, so einer der Sinnsprüche von Wolfgang Mocker, die von den Sozialamtsdecken baumeln.

»Wir wollen Karikaturen von unten machen«, versichert Wolfgang Kleinert, Vorsitzender der »Cartoonfabrik«, mit Verve in der Stimme. Im Dezember 1991 beschlossen elf Karikaturisten und zwei Journalisten Ernst zu machen mit der Satire: sie gründeten einen Verein. Neben dem alljährlichen »Köpenicker Karikaturensommer« soll die »Berliner Karikaturengeschichte während der Teilung der Stadt« aufgearbeitet werden. Außerdem wird für Nestwärme gesorgt. Auch den Karikaturisten aus der Ex- DDR weht der kalte Wind der »freien« Marktwirtschaft um die Ohren. Stand die »Kunst des verdeckten Aufdeckens« (Rainer Schwalme) damals sicher im Lohn, gibt es zwar jetzt die Freiheit, alles zu äußern — nur schafft das allein noch keine Pointen.

Um kontinuierlich arbeiten zu können, bedarf es beständiger Räume. So ist vorgesehen, den »Karikaturensommer« zunächst weiter im Rathaus zu veranstalten, aber nach anderem Ausschau zu halten. Ein passender Ort am Platze scheint das unter Denkmalschutz stehende Gebäude an der Alt-Köpenicker-Straße zu sein. Seit fünf Jahren steht es leer, weiß Sabine Liberia, Mitarbeiterin im Kulturbeirat für Köpenick. Vor hundert Jahren war dort die Post ansässig. Jetzt verwaltet es die Köpenicker Wohnungsbaugesellschaft für das Land Berlin. Im oberen Stockwerk könnte eine Galerie einziehen, wo die vielen Karikaturisten aus der Umgebung ausstellen könnten. Unten wäre Platz für ein Café und einen Kinderladen. »Köpenick muß kulturell erschlossen werden. Es können doch nicht nur Banken die besten Stücke bekommen, auch wenn sie den Karikaturensommer mit unterstützt haben«: Ganz heftig wird die Kulturbeirätin dabei.

Dennoch — Köpenick braucht Geld, um die karikaturistischen Ressourcen auszuschöpfen. Immerhin erfreue sich der »Karikaturensommer« beim Publikum großer Beliebtheit, sagt Tanja Weber vom »Eulenspiegel«. Besucher und Besucherinnen dürfen ihre liebste Karikatur wählen. Auf der Abschlußfete am 23.August wird der »Publikumspreis« vergeben. Ganz vorn in der Gunst liegt bislang Heinz Jankofsky mit seinem »Fundbüro«: Der Beamte hinter dem Schalter hält einem betrübten Herrn einen großen Karton mit lauter Banknoten hin. Also was nun, will der Beamte wissen, »ist Ihr Schein nun dabei, oder nicht?« Humor, Ost-West-übergreifend, »Eintritt frei! Kinder zahlen die Hälfte« (Erich Kästner). Yvonne Rehann

Rathaus Köpenick, Alt-Köpenick, Mo.-Fr. 11-18 Uhr, bis 23. 8.

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