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Wie bei Lambert unterm Sofa

■ Dagmar Beiersdorfs Film »Eine Tunte zum Dessert« rührt in Klischees und zu Tränen

Bei den Iskenders ist zwanghafte Harmonie eingezogen. In Dagmar Beiersdorfs neuem Film »Eine Tunte zum Dessert« feudelt Gelegenheitstransvestit Julchen (Lothar Lambert) durch die 3-Zimmer-Wohnung, seitdem eine schöpferische Krise Mutter Mascha aus dem gemeinsamen Haushalt mit dem Automechaniker Rajab und Tochter Nina getrieben hat. Nur die Bilder im Wohnzimmer künden von der Zeit, als die Familie noch ein filmeproduzierendes Bohemien-Team war.

Während Mascha (Imke Barnstedt) von Lover zu Lover irrt, von Freunden bedrängt, endlich wieder einen Film zu drehen, sucht Rajab Vergessen im Schoß seiner frankophilen Nachbarin. Nina liegt derweil im Dauerclinch mit der aufgetakelten Ersatzmutter, die unablässig Kaffeekränzchen und Picknicks organisiert. Im Versandhauskleid (»Das sah im Katalog aber anders aus«) und mit blonder Perücke läßt Julchen nicht locker in seinem Bemühen, die »Familie« beisammenzuhalten, die nach wilden Zeiten auseinanderzudriften droht. — Beiersdorf, die ihren Hauptdarsteller auch den Filmschnitt hat besorgen lassen, führt die komplette Personage der Lambert- Filme vor: den aus »Du Elvis, ich Monroe« bekannten Baduri als Freier, Dorothea Moritz und Erika Rabau als verschrobene alte Damen, Nilgün Gautier als Nymphe. Die Anspielungen auf ihre eigene Biographie sind bei Beiersdorfs neuem Film nicht zu übersehen.

Vor sieben Jahren hat sie mit »Wolfsbraut« ihren letzten Film über die kurze und heftige Liebesbeziehung zweier Frauen gedreht. Mascha, eine beruflich erfolgreiche und »aufgeklärte« Mittdreißigerin, glaubt, eine ungehobelte Frau zivilisieren zu müssen, um dabei festzustellen, daß sie selbst Hilfe braucht. Bei »Eine Tunte zum Dessert« versucht sie nicht, die Entwicklungsgeschichte von Mascha weiterzuerzählen, sondern gibt sich mit — zugegebenermaßen sehr unterhaltsamen — Blödeleien in der Manier einer TV- Vorabendserie zufrieden. Die ziemlich grauenhafte Filmmusik von Pete Wyoming-Bender tut ihren Teil dazu, um eine exotische »Drei Damen von Grill«-Atmosphäre zu erzeugen.

Die Fähigkeit, das Publikum mit bekennendem Dilettantismus zum Lachen und zur Rührung zu bringen, ist den Protagonisten geblieben. Das Drehbuch und Geld vom NDR haben die Improvisierlust von Lamberts und Beiersdorfs Filmfamilie — allen voran Suzanne Gautier — nicht bändigen können. Allein die Vision scheint ihnen unterwegs verloren gegangen zu sein.

Stefan Gerhard

»Eine Tunte zum Dessert« (90 min, Farbe) von Dagmar Beiersdorf ist ab heute im Eiszeit, später auch im Klick und der Filmbühne am Steinplatz zu sehen.

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