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Das Urlaubsglück am Weststrand

■ Teil 5 der taz-Serie von Deutschlands Küsten/ Lutz Ehrlich berichtet aus Büsum — über Ossis, Wessis und Herrn Engholm

Björn Engholm war schon da. Er pulte in Büsum Krabben für einen guten Zweck, den er sich — zu allem dazu — in einer Image-fördernden „Wetten, daß...“-Sendung mit einer dort verlorenen Wette aufgehalst hatte. Er pulte ausgerechnet in Büsum, weil der Hafen hier relativ tideunabhängig ist und Björn Engholm keine Zeit hat, seinen Terminkalender nach Ebbe und Flut auszurichten.

„Na sowatt“, kommt es aus einer Ruhrgebietskehle in einem gemischten Strandkorb-Ensemble mit Luftmatratzenstegen dazwischen, als diese aus dem Nickerchen erwacht: Wo vorhin noch nur Watt war, klatscht jetzt die Flut gegen die Steine der Deichbefestigung. „Abba du pennst ja nich annen Strand, woll Vatta“, setzt seine Frau nach, „Du Schnarcha!“

„Ebbe und Flut, das kannten die ja früher nicht — oder wir“, sagt die Frau aus der Kurverwaltung. So oft, wie in der kleinen Fußgängerzone Büsum zwischen Kirche und Hafen fällt das Wort DDR in den gesamten fünf neuen Bundesländern nicht mehr. „Jeder dritte Wagen hier kommt aus der DDR, na Sie wissen schon“, sagt eine Büsumerin und bemängelt deren ungelenken Fahrstil: „Die haben ja alle neue Autos, aber mit einem Trabi — wie damals — würd' ich hier auch nicht aufkreuzen.“ — „Damals“ war vor drei Jahren, und da hätten sie alle Muschelkästen gekauft, anstatt was Richtiges.

G, J, SLZ, LBZ, SCZ: Die Büsumer Parkplätze sind der reinste Kurs in ostdeutscher Heimatkunde; aber nur die Parkplätze außerhalb, denn drinnen kostet das Parken fünf Mark, das leisten sich nur Westdeutsche. „Wir haben schon in den neuen Ländern Werbung gemacht, als die anderen noch gar nicht dran gedacht haben“, erklärt Elke Courkamp, PR-Chefin der Kurverwaltung, den Ostlerboom in Büsum. Ganz normal laufe das mittlerweile und sei ohne großes Getöse über die Bühne gegangen. Es gab keine Sonderangebote für besondere Bürger, aber in der Lesehalle im „Haus des Kurgastes“ — dem besonderen Stolz des Kurortes Büsum — liegt wie selbstverständlich neben der Süddeutschen Zeitung auch die Märkische Oderzeitung. Allerdings die Ausgabe vom Vortag: Die Post ist nicht so schnell wie der Kurgast.

Der bringt mit seinem Idiom neue Klangfaben nach Büsum: Marko, Silke und Thomas aus Dresden, Görlitz und Leipzig reden mit dem Kellner so gut Hochdeutsch, wie es geht. Doch kaum ist er vom Tisch verschwunden, sächseln sie weiter. Touristen zweiter Klasse? — Nein, so fühlen sie sich eigentlich nicht. Und abgesehen von Ebbe und Flut ist hier alles wie früher an der Ostsee. Sie suchen verzweifelt einen Standplatz für ihr Zelt.

Der Kellner stammt ursprünglich aus Thailand und hat mit Ostlern seine eigenen Erfahrungen gemacht. Er glaubt, bei ihnen eine latente Reserviertheit gegenüber Ausländern festgestellt zu haben. „Kann der überhaupt richtig Deutsch?“ — Er kann, denn er wurde als Kind adoptiert. Seine erste Erinnerung an Deutschland sind Erdbeeren auf dem Frankfurter Flughafen. „Ich habe Glück gehabt.“

Momente des Glücks auch an der Losbude der DLRG auf der Promenade: Ein Schwabe hat tatsächlich das Mountainbike gewonnen. Den Dachgepäckträger hat er schon dabei: Das Glück scheißt eben immer auf den größten Haufen. Lutz Ehrlich

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