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■ SHORT STORIES FROM AMERICASollte Bush die Abtreibung im Fall von Vergewaltigung bei der Armee gestatten?

Wie soll sich die Regierung verhalten, wenn ihr das Militär lauter ungewollte Schwangerschaften beschert? Man weiß ja, daß die Bush-Regierung etwas gegen die Abtreibung hat — außer bei Inzest oder Vergewaltigung. Aber in den letzten Wochen haben weibliche Angehörige der Streitkräfte schlimme Vergewaltigungs-Anklagen gegen Militärs erhoben — schlimm zumindest für die Regierungsknaben, die es mit der Presse zu tun haben. Wird Bush, wenn diese Vergewaltigungen zu Schwangerschaften führen, in seinem Schaufenster amerikanischer Werte die Abtreibung gestatten? Kann er es zulassen, daß in diesem Fundament amerikanischer Tradition eine freie Entscheidung für die Abtreibung getroffen wird? Ich bin froh, daß ich nicht beim ARmy SCHedule for Legal and On-post Counseling and Health tätig bin, der Armeeberatungsstelle für Rechts- und Gesundheitsfragen (im Armee-Abkürzungsjargon: ARSCHLOCH), die sich damit herumschlagen muß.

Bush hat die freie Entscheidung niemals als amerikanisch anerkannt. Er hat den Staat Louisiana und das Territorium Guam unterstützt, als sie die freie Entscheidung einschränkten. Erst kürzlich sprach er sich für die Beschränkungen aus, die der Staat Pennsylvania verhängte (in Pennsylvania müssen sich die Frauen einen Vortrag gegen die Abtreibung anhören und dann 24 Stunden warten, bevor eine Abtreibung zulässig ist; Teenager brauchen die Zustimmung ihrer Eltern, Kliniken müssen über die vorgenommenen Abtreibungen öffentlich zugängliche Aufzeichnungen führen, obwohl alle anderen medizinischen Aufzeichnungen privat bleiben, und Frauen müssen ihre Ehemänner informieren, wenn sie eine Schwangerschaft beenden wollen). Obwohl der Oberste Gerichtshof die Vorschrift über die Information der Ehemänner für ungültig erklärte, sprach Bush sich dafür aus — wie er auch dafür ist, den Import der Abtreibungspille RU486 zu verbieten. Über 110.000 Frauen in Frankreich und England haben RU486 benutzt, aber die Bush-Regierung hat ihre Produktion in den USA ebenso verboten wie ihre Einfuhr — trotz der Richtlinien der Federal Drug Administration, wonach jeder Amerikaner Arzneimittel in die USA einführen darf, die in anderen Ländern zugelassen sind, solange dies nicht zu kommerziellen Zwecken geschieht, und in klarem Widerspruch zu den eigenen Regeln der Regierung, wonach der Import eines Arzneimittels erst nach einer öffentlichen und medizinischen Diskussion verboten werden kann. Ich glaube, man kann mit gutem Gewissen sagen, daß sich Bush, was Amerika und die freie Entscheidung angeht, hinlänglich klar ausgedrückt hat.

Während seiner Präsidentschaft haben Beobachter häufig feststellen können, daß Bush mit der freien Entscheidung seine Probleme hatte, unter fiskalischen, konstitutionellen, sozialen und ethischen Aspekten. Ich möchte mich lediglich mit dem Aspekt beschäftigen, der dem Militär zu schaffen macht. Bushs Finanzkritiker zum Beispiel weisen darauf hin, daß eine Abtreibung etwa hundert Dollar kostet, jedoch beträchtlich mehr — einige tausend Dollar pro Jahr — aufgebracht werden müssen, um eine Mutter und ihr Kind aus öffentlichen Mitteln zu versorgen. Wäre es finanziell und sozial nicht angebracht, so fragen sie, Frauen, die eine Abtreibung wollen, diese auch zu gestatten — insbesondere angesichts der amerikanischen Auslandsverschuldung und der ökonomischen Rezession? Und dies zu einem Zeitpunkt, versäumen sie nicht zu erwähnen, zu dem die Bundesausgaben für Leistungen wie die Mutter-und-Kind-Fürsorge in amerikanischen Städten seit 1980 um 59Prozent gesunken sind? Und während die Bundesregierung im Jahre 1991 für die Verluste der Sparkassen mit einem Betrag geradestehen mußte, der sechsmal höher lag als die Ausgaben für die öffentliche Fürsorge?

Diese Kritiker fragen auch, ob es sich fiskalisch vertreten lasse, bei den Mitteln für die Vorschulerziehung zu knausern, obwohl aus den eigenen Untersuchungen der Regierung hervorgeht, daß Kinder, die daran teilnahmen, seltener sitzenbleiben, seltener kostspieligen Sonderunterricht benötigen und seltener straffällig werden? Im Juni strich die Bush-Regierung aus einem Gesetzentwurf zur Unterstützung der Städte 250.000 Dollar, die für Sommervorschulprogramme für 220.000 Kinder bestimmt waren. Das Vorschulbudget lag in diesem Jahr um zwei Milliarden Dollar unter dem Betrag für 1990; das Budget des nächsten Jahres liegt noch einmal drei Millionen Dollar darunter. Die Finanzkritiker fragen sich, ob Bush die richtigen Prioritäten setzt. Auch die Jungens bei ARSCHLOCH mögen damit ihre Probleme haben — aber die Abtreibungen, die ihnen die Armee beschert, machen ihnen noch mehr Ärger.

Im Juni mußten sich die Jungens bei ARSCHLOCH mit dem Rücktritt von Marineminister H. Lawrence Garrett herumschlagen, nach einem Skandal wegen sexuellen Übergriffen gegen 26 Frauen bei einem Lehrgang von Marinefliegern. Sie mußten sich nicht nur zu den sexuellen Angriffen äußern, sondern auch zu Garretts möglicher Beteiligung an dem Versuch, die Affäre zu vertuschen. In solchen Situationen fressen die Jungens von ARSCHLOCH zum Frühstück ihre Bleistifte. Und das sind nur die alten Geschichten. Inzwischen sind Vorwürfe wegen Vergewaltigung und anderen Übergriffen auch gegen die Armee laut geworden. In einer Gruppe von weiblichen ehemaligen Armeeangehörigen, die vor dem Senat aussagten, äußerte sich auch eine Frau, die von drei ihrer männlichen Kollegen vergewaltigt und später von zwei anderen belästigt wurde. Die Armeeanwälte, berichtete sie, machten gehässige Bemerkungen und sexuelle Anspielungen — damit wäre die Aufsichtsbehörde selbst kompromittiert. ARSCHLOCH hatte einen Monat lang Hämorrhoiden. Eine andere Frau, Präsidentin des Verbands weiblicher ehemaliger Armeeangehöriger, berichtete vor dem Senat von ihrer Vergewaltigung durch einen Sergeanten und von der Reaktion ihres Kompanieführers: Sie solle „die ganze Geschichte vergessen... Weil sie die Karriere des jungen Sergeanten versauen würde“, wenn sie auf einer Anklage bestünde. Eine dritte Frau berichtete, wie sie während des Irak-Krieges von ihrem Sergeanten zur „Sodomie gezwungen“ wurde — ARSCHLOCHS schlimmster Alptraum. Die Armee kam zu dem Schluß, es habe sich um einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehandelt. Erst als sie ihren Fall an die Öffentlichkeit brachte, fand sich die Armee zu einer erneuten Untersuchung bereit.

Was die Sache noch schlimmer macht: Senator Alan Cranston hat eine Pentagon-Untersuchung von 1988 ausgegraben, wonach fünf Prozent der Frauen in den Streitkräften sexuellen Angriffen ausgesetzt waren. Das heißt, daß von den 1,2 Millionen amerikanischen Frauen, die in den Streitkräften dienen oder gedient haben, 60.000 vergewaltigt oder angegriffen wurden — eine Zahl, die Cranston als „vorsichtige Schätzung“ bezeichnete. Eine Pentagon-Untersuchung aus dem Jahre 1990 kam zu dem Ergebnis, daß über ein Drittel der Frauen in den Streitkräften in irgendeiner Art sexuell belästigt würden, bis hin zur Vergewaltigung.

Damit allein wäre ARSCHLOCH schon völlig ausgelastet; Abtreibungen wegen Vergewaltigungen in der Armee haben ihnen gerade noch gefehlt. Vielleicht war ja die Armee im Falle der erzwungenen Sodomie auf dem richtigen Weg: Man muß die Vergewaltigungen einfach zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr erklären. Wo es keine Vergewaltigung gab, da besteht auch kein Grund, sich für oder gegen eine Abtreibung zu entscheiden — und der Regierung bleibt doppelter Ärger erspart. Auf diese Weise hat die Regierung schon immer ihre Probleme gelöst. So wie sie Rüstung „Verteidigung“ nennt und Krieg „Befriedung“, so kann sie auch Vergewaltigung als „Geschlechtsverkehr“ bezeichnen. So hätten sie es gern: Realität durch Sprachregelung zu verordnen. Ich schicke ARSCHLOCH ein Fax, das können sie sich in die Tagesordnung schieben.

Aus dem Amerikanischen von Meino Büning.

SOLLTEBUSHDIEABTREIBUNGIMFALLVONVERGEWALTIGUNGBEIDERARMEEGESTATTEN?

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