: Vom Berliner Bau-Boom zum Crash?
■ Ehrgeizige Gewerbeprojekte können zu einem Überangebot an Bürofläche führen
Berlin boomt seit der Maueröffnung, die Preise für Grundstücke und Büromieten erreichen Rekorde. Bis zu hundert Mark pro Quadratmeter werden für eine Büroetage in der Innenstadt an Miete gezahlt, Filetgrundstücke an der Friedrichstraße oder Unter den Linden gehen für bis zu 30.000 Mark pro Quadratmeter über den Tisch. Der erste Spatenstich für drei Millionen Quadratmeter Bruttogeschoßfläche Gewerbe soll bis Ende 1993 allein im Bezirk Mitte und am Potsdamer Platz erfolgen: Daimler Benz, Sony und Hertie, die Friedrichstadtpassagen, das American Business Center am Checkpoint Charly und anderes — falls sich die Investoren über die umstrittenen Grundstücksverhältnisse, die derzeit noch fast alle Bauarbeiten blockieren, zusammenraufen können. Später sollen Hochhäuser am Alexanderplatz und an der Frankfurter Allee folgen.
Dazu kommen große Gewerbeprojekte im Westteil der Stadt: die Überbauung eines Eisenbahngrabens am Halensee etwa, die Verdreifachung der Messebauten oder einige Bürokomplexe am S-Bahnring. Aber auch in den Ostberliner Plattenbezirken Hellersdorf, Marzahn oder Hohenschönhausen sollen riesige Gewerbekomplexe entstehen. Nach Senatsberechnungen werden bis zum Jahr 2010 zwölf Millionen Quadratmeter Gewerbefläche gebraucht.
Außerdem plant der Senat allein in den nächsten fünf Jahren den Bau von hunderttausend Wohnungen. Das ehrgeizigste dieser Vorhaben ist die Wasserstadt Oberhavel mit geplanten 12.700 Wohnungen, ein Großteil davon freifinanziert. Kritik der Berliner Stadtplaner: Das Vorhaben ist zu gigantomanisch, die Fragen der Altlasten und der Grundstücksverhältnisse ungeklärt, es gibt keine Anbindung an die U-Bahn.
Fachleute warnen schon jetzt, daß aus dem Boom ein Crash werden könnte, denn in fünf bis zehn Jahren müssen die Investoren womöglich — wie in den Londoner Docklands — händeringend Mieter für die Büroetagen suchen. Kürzlich mußte die Berliner Immobiliengruppe Grünbaum und Gelermann Vergleich anmelden: Sie hat 1,5 Milliarden Mark Schulden. Gerüchte, daß die zu 50Prozent senatseigene Berliner Bank der Pleitefirma Geld geliehen hat, werden zwar von der Bank heftig dementiert, verstummen aber dennoch nicht.
Mit Pleiten am Bau hat Berlin freilich schon reichlich Erfahrungen gesammelt. Aus dem Steglitzer Kreisel, Berlins höchster Investruine, wäre ein gewaltiger Schuldenstrudel geworden, hätte sich das Land Berlin nicht erbarmt und das Steglitzer Bezirksamt in das — auch noch asbestverseuchte — Bürohochhaus verlegt. Auch das Ku'damm-Karree kostete jahrelang nur Geld und wurde vom Senat schließlich abgestoßen. Und der Architekt Dietrich Garski setzte gar 120 Millionen Senatsmark von der Berliner Bank in den Sand, ohne überhaupt etwas zu bauen. Eva Schweitzer
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