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GASTKOMMENTARÜber die Hutschnur

■ Der 218 bleibt uns erhalten, egal in welcher Form

Das ZDF unterbrach die Übertragung von den Olympischen Spielen, um das vorläufige Ergebnis des Bundesverfassungsgerichts (BVG) zum neuen Paragraphen 218 bekanntzugeben. Die letzten Unterbrechungen laufender Sendungen fallen mir ein: Geiseldrama in Bremen, Supergau in Tschernobyl. Vor kurzem verkündete das BVG ein neues Urteil zur Kindererziehung und zur Pflegearbeit. Diese von Frauen kostenlos geleistete Arbeit wurde endlich ein Stück weit aus der Unauffälligkeit und der Diskriminierung gehoben. Diese immerhin systemkritischen Äußerungen des BVG haben niemanden soweit vom Hocker geworfen, daß Sendungen unterbrochen wurden.

Der Versuch einer Sensationsberichterstattung schlägt bei dieser Frage fehl. Auffällig ist die Distanziertheit der Menschen. Über den §218 haben fast ausnahmslos InsiderInnen diskutiert, seit die neue Frauenbewegung eine Liberalisierung fordert. Diese Distanziertheit scheint das Resultat eines Wissens, das wir alle besitzen. Egal welche Regelung zum Schwangerschaftsabbruch wir haben, oder wer mit welchen Bandagen für welche kämpft, Frauen treiben ab, wenn sie sich nicht in der Lage sehen, wieder oder überhaupt zu gebären. Sie tun das ziemlich ungerührt von dem sie umgebenden Theater um Nuancen (für die alten Bundesländer) einer Veränderung an bestehendem Recht. Sie entscheiden sich mit leichtem Herzen oder mit Skrupeln für oder gegen das Kind. Manchmal sind sie voll großer Trauer, weil sie einen für sie sehr verheißungsvoll erscheinenden Lebensweg nicht beschreiten werden, indem sie sich für oder gegen ein Kind entschieden haben.

In der Moderne gehören diejenigen, die dem eigenen Lebensweg die Priorität einräumen, zu den Gewinnern. Deshalb ist der Schwangerschaftskonflikt der Frau nicht nur ein individuelles Problem, sondern ebenfalls eines der individualisierten Gesellschaft. Deshalb auch kann ich das Getöne vom Schutz des ungeborenen Lebens nicht mehr hören. Auch die Moral, die bei der Diskussion um den Schwangerschaftsabbruch immer wieder bemüht wird, geht mir reichlich über die Hutschnur. Der gleichstellungspolitische Ansatz in der institutionalisierten Frauenpolitik hat das bisher nicht mitbekommen. Deshalb wirken dort auch feministische Diskurse nur wie Irrlichter. Der § 218 bleibt uns erhalten, egal in welcher Form. Erhalten bleibt uns vorläufig auch das System kollektiver Sicherheit der Männer. Sie suchen zwar auch voreinander Schutz, aber gegen den Angriff von außen stehen sie wie ein Mann. Waltraud Schoppe

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