: Die Kontinuität der Besatzungspolitik
■ Das Vorgehen der israelischen Militärbehörden in den besetzten Gebieten hat sich nicht geändert
Tel Aviv (taz) — Trotz des Regierungswechsels in Jerusalem gibt es keine Anzeichen für ein Nachlassen der repressiven israelischen Politik in der Westbank und im Gazastreifen. Die neue Regierung unter Ministerpräsident Jitzhak Rabin hat zwar einige Konzessionen gemacht, vor allem durch die teilweise Einschränkung des Siedlungsbaus. Soeben wurde ein Stopp für den Bau privater Wohnungen auf Grundstücken in den besetzten Gebieten verfügt.
Doch parallel dazu wird gegenüber den Palästinensern in den besetzten Gebieten im großen und ganzen die gleiche Politik betrieben wie früher. Die Kontinuität in der Besatzungspolitik wurde in diesen Tagen besonders deutlich: Anfang der Woche haben die israelischen Verhörspezialisten in den besetzten Gebieten wieder einen Toten aus ihren Räumen abtransportiert. Am 4.August meldeten sie, der 27jährige Palästinenser Mustafa Mahmud Abed el-Hady Barakat aus dem Dorf Anabta sei im Gefängnis von Tulkarem in der Westbank gestorben. Todesursache: ein Asthmaanfall.
Barakat hatte gerade sein Studium in Jordanien abgeschlossen und war Ende Juli zu seiner Familie in die Westbank zurückgekehrt, wo er drei Tage später, am 3.August, zum Verhör abgeholt wurde. Bereits am folgenden Tag wurde die Familie verständigt, daß Mustafa Barakat in der U-Haft verschieden ist. Nach Pressemeldungen wurde Barakat verdächtigt, während seines Studiums in der PLO-Fraktion Fatah aktiv gewesen zu sein. Darüber soll er im Gefängnis von Tulkarm von Mitgliedern der israelischen Geheimdienstorganisation Schin-Bet verhört worden sein.
„Bazelem“ und andere Menschenrechtsorganisationen in Israel und den besetzten Gebieten verlangen die Einsetzung einer Untersuchungskommission zur Klärung der Todesumstände von Barakat. In Barakats Heimatort Anabta fand vorgestern ein Proteststreik gegen die israelischen Geheimdienste statt, die behaupten, daß der an Asthma leidende Verstorbene bei seinem Verhör nicht geprügelt wurde.
Wie das „Arab Media Center“ in Ost Jerusalem vor zwei Tagen meldete, wurden allein im Juli, nach den israelischen Wahlen und in der Zeit der Nahostreise des amerikanischen Außenministers James Baker zehn Palästinenser in den besetzten Gebieten von israelischen Soldaten erschossen, darunter ein 6jähriges Kind sowie drei Jugendliche zwischen 17 und 18 Jahren. Seit dem Beginn der Intifada Ende 1987 wurden insgesamt 1228 Palästinenser von Israelis getötet.
Nach Angaben von „Bezelem“ in Jerusalem kamen 23 von ihnen in israelischer Haft ums Leben. Die Organisation dokumentierte jetzt vier dieser Fälle aus dem Jahr 1992. Die Palästinenser starben nach Geheimdienstverhören entweder an ihren Verletzungen oder durch Selbstmord. Auch die Körper der als Selbstmörder geltenden Toten zeigten Zeichen von Gewaltanwendung und Schlägen, die Pathologen auf die Verhörmethoden zurückführten.
Die tägliche Statistik eines palästinensischen Informationsbüros in Ostjerusalem vermeldete z.B. am 3.August: In den vergangenen 24 Stunden wurde ein Palästinenser erschossen, 15 wurden inhaftiert, elf durch Schüsse verletzt, neun von israelischen Soldaten geschlagen und zwei erhielten „grüne Karten“, spezielle Personalausweise, mit denen die Betroffenen die besetzten Gebiete nicht mehr verlassen können. Amos Wollin
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