Der „Nica-Schock“ war heilsam

■ Mit dem Verkauf von Soli-Kaffee im Supermarkt und der Belieferung von Naturkostläden und Großabnehmern erschließt der alternative Dritte-Welt-Handel neue Käuferkreise

Ob Poncho oder Pullover, mit den alternativen Klamotten aus Alpaka- Wolle brachte die deutsche Nachwuchslinke Anfang der 70er Jahre ihre Protesthaltung zum Ausdruck. Doch zu Beginn der 80er Jahre kam das Handgestrickte aus den Anden aus der Mode; den bolivianischen Produzenten blieb nichts anderes übrig, als die Wolle wieder als Rohstoff zu verkaufen.

Für Schwankungen in der Nachfrage sorgen zuweilen auch politische Ereignisse. Die Wahlniederlage der Sandinisten 1990 führte zu einem Umsatzeinbruch bei Nicaragua-Kaffee. „10 bis 20 Prozent haben wir weniger verkauft“, erinnert sich Norbert Schneeweiß vom „Treffpunkt 3.Welt“ in Darmstadt, „aber das hat sich auf niedrigerem Niveau sehr schnell stabilisiert und hat dann wieder angezogen.“

Der „Nica-Schock“ war heilsam. In den Diskussionen der Solidaritätsbewegung setzte sich die Erkenntnis durch, „daß unser Bündnis nicht mit dem politischen System besteht, sondern mit den Produzenten im Land“, stellt Ingo Herbst, Geschäftsführer der GEPA fest. Die GEPA, die Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten WeltmbH, ist die Handelsorganisation, die die heutigen „Eine-Weltläden“ beliefert. Die Weltläden machen immer noch 88 Prozent des GEPA-Umsatzes. Doch GEPA und WeltladenaktivistInnen versuchen, aus der Nische der politisch bewußten Stammkunden herauszukommen — mit Erfolg. Die GEPA-Marke Aha-Kaffee — Aha steht für: Alternativ handeln — wird seit einem Jahr in einer süddeutschen Supermarktkette verkauft. Das Pilotprojekt läuft so gut, daß auch andere Ketten Interesse signalisiert haben. Immer mehr Großabnehmer steigen auf den zu fairen Konditionen gehandelten Kleinbauern-Kaffee um: ob im nordrhein- westfälischen Landtag, in städtischen Kantinen in Neuss und Reutlingen oder zahlreichen Uni-Mensen, es wird mittlerweile Aha-Kaffee geschlürft. Auch ganze Betriebe und Tagungshäuser stellen auf die Alternativmarke um.

Diese Entwicklung bescherte der GEPA eine kräftige Umsatzsteigerung. Stagnierten die Umsätze Mitte der 80er Jahre bei 18 Millionen Mark, stiegen sie 1990 auf 21,7 und 1991 auf 29 Millionen Mark. In den nächsten fünf Jahren will man den Umsatz gar auf 85 Millionen steigern. Zum einen will man den Verkauf von Aha-Kaffee in Supermärkten in kleinen Schritten ausbauen, zum anderen sind bereits viele Produkte auf biologisch-kontrollierten Anbau umgestellt worden. Mehr als die Hälfte ihres Umsatzes im Lebensmittelbereich macht die GEPA mittlerweile mit Bio-Produkten. Ob Bio-Kaffee aus Mexiko oder Bio-Tee aus Sri-Lanka, Abnehmer sind zunehmend auch Naturkostläden. Letztes Glied in der Kette neuer Absatzstrategien ist der GEPA-Versandkatalog: Dort wo es keinen Weltladen gibt, können die Kunden per Katalog bestellen. Dieser liefert ihnen auch Hintergrundinformationen über die Produzenten und die politische Lage des Landes ins Haus.

Der Verkauf von GEPA-Kaffee im Supermarkt ist bei vielen Weltladengruppen nicht unumstritten. „Manche finden, dies sei ein effektiver Weg, mehr zu verkaufen, andere lehnen das aus politischen Gründen ab, weil dadurch Strukturen gestärkt werden, gegen die man sich wehrt“, so Norbert Schneeweiß. Ausschlaggebend für die Zustimmung der Basis war jedoch der Wunsch der Kleinbauern nach mehr Absatzmöglichkeiten. Auch Alpaka-Pullover sind wieder im Kommen, nachdem die GEPA den Verkauf neu organisiert hat. In 37 der 550 Weltläden gibt es sie wieder — heute in größerer Auswahl und mehreren Größen vorrätig. Dorothee Winden