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Die EG macht „Kosovo-Frage“ zum Thema

■ Zum erstenmal kann ein Vertreter der Kosovo-Albaner an einer Friedenskonferenz über Jugoslawien teilnehmen/ Auch bosnische Truppen wollen schwere Waffen unter UNO-Kontrolle stellen

Pristina/Sarajevo (dpa/AFP/taz) — Eine Teilnahme der Kosovo-Albaner an den Jugoslawien-Konferenzen der EG — diese Forderung wird seit Monaten nicht nur von der albanischen Regierung und Vertretern der Kosovo-Albaner, sondern auch von internationalen Beobachtern des Balkankrieges erhoben. Doch während sich EG-Vermittler Lord Carrington bisher stets auf Einladungen an die Regierungen der direkt am „Konflikt“ beteiligten Republiken des ehemaligen Jugoslawien beschränkt hatte, soll an der in der kommenden Woche in London stattfindenden „großen“ Friedenskonferenz nun auch ein Repräsentant des ehemals autonomen serbischen Gebietes teilnehmen. In einem Schreiben bat Carrington Ibrahim Rugova, der in einer von den Serben nicht anerkannten Wahl vor wenigen Wochen zum Präsidenten einer „Republik Kosovo“ gewählt worden war, in London die albanischen Vorschläge zur Lösung des „Kosovo- Problems“ und die Ansichten der albanischen Volksgruppe zur Zukunft des ehemaligen Jugoslawien vorzutragen.

Und da Rugova sich — nach den vorliegenden Informationen — diese erstmalige Gelegenheit kaum entgegen lassen dürfte, werden sich die Vertreter der EG und der UNO ebenso wie die Präsidenten Serbiens und Rest-Jugoslawiens nun endlich mit den Forderungen der Kosovo- Albaner nach staatlicher Unabhängigkeit auseinandersetzen müssen. Denn die Kosovo-Albaner sind schon lange nicht mehr bereit, sich mit der bloßen Aufhebung des seit 1989 geltenden Ausnahmezustandes oder der Wiederherstellung der „Autonomie“ zufriedenzugeben. Vielmehr schließt Rugova als „langfristige Lösung“ auch die Vereinigung mit Albanien nicht aus. Der Präsident in einem Zeitungsinterview Anfang August: „Zu wünschen ist, daß zumindest die Mehrheit der Albaner die Möglichkeit erhielte, in einem gemeinsamen Staat zu leben.“

Wie die serbische Regierung auf die Einladung reagiert, wurde zunächst nicht bekannt. Bisher hat sich Präsident Milosevic jedoch stets geweigert, das Thema zu internationalisieren: Der Kosovo sei eine strikt innerserbische Angelegenheit.

Während bei der Friedenskonferenz in London nach einer politischen Lösung für den „Balkan-Konflikt“ gesucht werden soll, wird weiterhin auch über ein militärisches Eingreifen diskutiert. Als einer der ersten Militärexperten sprach sich dabei der Chef des Internationalen Instituts für Strategische Studien, IISS, in London dafür aus, daß zwischen 70.000 und 100.000 Soldaten in Bosnien „Sicherheitszonen“ einrichten sollten. Ein weiterer Schritt müßte es sein, Brücken und Straßen von Serbien nach Bosnien durch Bombardierungen aus der Luft zu zerstören sowie serbische Benzin- und Munitionslager anzugreifen.

Zur Unterstützung einer militärischen UNO-Aktion ist nun auch Bulgarien bereit. Da Sofia jedoch eine direkte Beteiligung eines Balkanstaates und damit die Entsendung bulgarischer Truppen nach Jugoslawien ablehnt, wird das Land, den UN-Truppen die Benutzung seiner Flughäfen gestatten. Dagegen enschloß sich die italienische Regierung, 1.500 Soldaten zur Sicherung der Hilfskonvois zur Verfügung zu stellen. Obwohl sich nach den serbischen Truppen in Bosnien nun auch die moslemischen Kampfverbände bereit erklärten, ihre schweren Waffen der Kontrolle der UNO zu unterstellen, gingen die Gefechte in der Balkanrepublik auch am Donnerstag an allen Fronten mit unverminderter Härte weiter. Wiedereröffnet werden konnte jedoch die UNO-Luftbrücke nach Sarajevo, die am Dienstag nach dem Beschuß eines englischen Flugzeuges eingestellt worden war. Nach Angaben der bosnischen Regierung gelang es ihren Truppen, in der von serbischen Einheiten gehaltenen Stadt Banja Luka zum Flughafen vorzudringen und dort Flugzeuge und Radareinrichtungen zu zerstören. her

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