piwik no script img

Sozialhilfeempfänger mit Examen

■ In Ost-Berlin hat jeder vierte Hilfsbedürftige eine Hochschule besucht/ Hauptschulabschluß bieten 80 Prozent/ Studie im Auftrag der Senatssozialverwaltung/ Unterschiede zur Situation im Westen

Berlin. Fast 80 Prozent der rund 9.000 arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger unter 60 Jahren im Ostteil Berlins haben eine dem Hauptschulabschluß mindestens gleichwertige Schulbildung, davon wiederum jeder Vierte sogar einen Hochschulabschluß. Vier Fünftel der vom Sozialamt Unterstützten besitzen wenigstens eine abgeschlossene Berufsausbildung. Damit unterscheidet sich laut der von der Senatssozialverwaltung in Auftrag gegebenen ersten Berufsstrukturanalyse Arbeitsloser in den östlichen Bezirken der Stadt die Situation dieses Personenkreises wesentlich von der im Westteil.

Während im Osten nur jeder fünfte Sozialhilfeempfänger unter 60 Jahren keine Berufsausbildung hat, sind es im Westen 23 Prozent, wobei weitere 30 Prozent eine begonnene Ausbildung abgebrochen haben.

Nach Aussage der Studie, die am Montag der Presse vorgestellt wurde, handelt es sich bei den Sozialhilfeempfängern im Ostteil der Stadt keineswegs um die »typische Sozialamtsklientel«. Als Ursache für die gegenwärtige Situation werden »die politischen und wirtschaftlichen Umstrukturierungen der letzten zwei Jahre« genannt.

Rund 60 Prozent der Befragten waren zuletzt im Dienstleistungssektor tätig, Frauen vor allem in der öffentlichen Verwaltung und im pädagogischen Bereich. Ihr Anteil an den erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängern beträgt rund 57 Prozent. Besonders betroffen sind Alleinerziehende.

Mit 75 Prozent ermittelte die Studie unter den Betroffenen eine wesentlich höhere Bereitschaft zur beruflichen Veränderung als in den Westbezirken. Dort sind nur rund 40 Prozent der Betroffenen bereit, sich beruflich zu verändern. Zwischen einem Drittel und der Hälfte steht einem Berufswechsel aufgeschlossen gegenüber.

Zugleich hat die Befragung gezeigt, daß die Resignation mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit wächst. Bereits jetzt äußerte sich ein knappes Viertel gleichgültig. Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) befürchtet, daß diese psychologischen Probleme noch zunehmen, wenn nicht schnell Perspektiven geschaffen werden.

Möglichkeiten sieht die Sozialsenatorin in der 1991 entstandenen Servicegesellschaft für Gesundheit und Soziales »FoBeKo«, die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen-Projekte (ABM-Projekte) initiiert und fördert, beim Aufbau von Existenzgründungen hilft und Fortbildungen organisiert. Mehr als 600 Betroffene haben über das Programm »Hilfe zur Arbeit«, für das 1993 im Osten rund 18 Millionen Mark bereitgestellt wurden, eine ABM-Stelle erhalten. Weitere acht Millionen Mark sollen kombinierten Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in beiden Teilen der Stadt zugute kommen. ADN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen