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Viel Tradition, wenig Marktchancen

Auf der Frankfurter Herbstmesse herrscht bei den Ausstellern aus den neuen Bundesländern nur gedämpfter Optimimus  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Die Bürstenmacher aus dem neubundesländischen Stütemgrün sind gar nicht erst gekommen. Im Gang C, Stand 83, Halle 9 des Frankfurter Messegeländes bleibt ein leerer Fleck. Rund 100 der über 4.000 Aussteller aus 60 Ländern kommen aus den neuen Bundesländern. Noch bis heute abend stehen ihre Waren auf der 92. Internationalen Frankfurter Herbstmesse auf dem Prüfstand. Sie müssen sich bei dieser größten Konsumgüterschau „für Gebrauchsgüter des gehobenen Bedarfs“ vom Silberlöffel bis zum Tafeldamast behaupten können.

Viele Ost-Betriebe hatten ihren ersten Auftritt und sahen ihn als Nagelprobe für die Zukunft. Einige begannen schon am Montag damit, erste Bilanzen zu ziehen. Andere wagten sich gar auf die erste Pressekonferenz ihres Lebens — vor allem die, deren Besitzverhältnisse geklärt und deren Firmenstrukturen „gesundgeschrumpft“ sind. Bei fast allen haben westliche Werbestrategen und Marketingexperten das Heft in die Hand genommen.

Da sind zum Beispiel die Auer Besteckwaren, deren Umsatz sich mit dem alten Firmennamen „Wellner“ wieder aufrichten soll. Der 1840 gegründete Betrieb lieferte Tafelsilber an Luxushotels und Vergnügungsdampfer und war bis zum Zweiten Weltkrieg der größte deutsche Hersteller in der Branche mit über 5.000 Beschäftigten. Dann wurde auf Rüstungsindustrie umgestellt, mit der Folge, daß die Amerikaner den Betrieb 1945 enteigneten. 1946 begann die Firma neu und produzierte Massenbesteck für die DDR und Osteuropa. Wellner will nun zurück zum Luxus und gleichzeitig die Standardserien der Ostproduktion nicht ganz einstellen. Das Konzept wirbt nicht nur mit dem alten Namen und der Belle Epoque. Das Sortiment stammt, so der Geschäftsführer, aus dem Gerümpel, das Junge Pioniere in den 70er Jahren nicht verschrotteten. Die schwarz angelaufenen Bestecke, die da zum Vorschein kamen, zeigen die alten Bauhaus- und Art Deco-Muster berühmter Künstler und Architekten. Sie werden teils neu aufgelegt. Das Modell „Toccato“, so die Unternehmensführung, sei jetzt „schon ein Renner“. Da liest sich dann die Meldung, daß „über 200 der ehemals 1.100 Beschäftigten ihren Arbeitsplatz auf Dauer behalten können“, schon fast wie eine gute Nachricht.

Was der Firma Wellner, die für den Erhalt des Traditionsnamens sogar eine Urenkelin des Gründers, „eine nette, ältere Dame“, auftrieb, vielleicht gelingen mag, wird für die Hersteller von „Holzkunst aus dem Erzgebirge“ zur Quadratur des Kreises. Spielzeug, Weihnachtsschmuck, Pyramiden und Räuchermännchen haben in der Region, die nach dem Ende des Silberbergbaus verarmte, zwar viel Tradition, aber wenig Marktchancen. Daran kann auch die Frankfurter Werbeagentur, die sich im Auftrag des Landes Sachsen abmüht, wenig ändern. Das neue Logo der 50 kleinen und mittleren Betriebe und zwei Genossenschaften mit ihren noch rund 2.000 Beschäftigten, die sich zum Verband zusammengeschlossen haben, appelliert ebenso an ein neues Qualitätsbewußtsein wie an das Gefühl: „Echt Erzgebirge — Holzkunst mit Herz“. Originaltät ist alles: „Es gibt nur ein Erzgebirge!“ Das allerdings schafft die Konkurrenz aus Fernost nicht aus der Welt. Geschäftsführer Berger weiß aus eigener Anschauung, daß die Billigproduzenten in China „fünf Pfennig Stundenlohn zahlen“. Dazu kommt die Tatsache, daß die Holzkunst ein Hätschelkind des realen Sozialismus war. Exporte in die USA wurden bis zu 70 Prozent, die in die Bundesrepublik zu 50 Prozent subventioniert. Auch heute produziert der neue Verband unter den eigenen Herstellungskosten. Ein Nußknacker zum Beispiel, den es aus Asien für einen Dollar im Großhandel zu kaufen gibt, steht für zehn Mark im Laden. Im Erzgebirge kostet seine Herstellung heute, genau wie vor 1989, etwa 25 bis 30 Mark. Vor der Wende war er — „echt und keine Billigkopie“ — für 15 Mark zu haben, heute ist er im Laden für 20 bis 35 Mark erhältlich. Bei dieser Rechnung ist es kein Wunder, wenn Staatssekretär Ermisch, der aus Sachsen anreiste, meint, dieser Wirtschaftszweig führe „immer ein bißchen ins Land der Träume“. Und: „Es ist vor allem ein Mittel der Identifikation der Bevölkerung mit ihrer heimatlichen Region.“ Geschäftsführer Berger hofft, „noch drei bis vier Jahre“ durchzuhalten, bis der Markt sich beruhigt hat“. Beliefert werden soll vor allem der Fach- und Einzelhandel. Aber, das weiß auch er, der Spielzeugmarkt ist vom Großhandel „besonders hart umkämpft“ und die alten Vertriebswege sind unbrauchbar. Fast alle Firmen aus den neuen Bundesländern leiden unter dem Zusammenbruch des osteuropäischen Marktes.

Die Drechslerwerkstätten aus Olbernhau setzen auf den Trend Natur pur. Die massiven Eschenholzschalen und -bretter sind mit Leinöl und Bienenwachs behandelt: „Da können Sie reinbeißen!“ Nebenan kämpft die GHS Plastic GmbH aus Ruhla in Thüringen härter um ihr Überleben. Das Kombinat fertigte seinerzeit „traditionell Wäscheklammern“ und hofft auf einen Aufschwung. Die Spritzmaschinen werden durch Kooperation mit einer West-Firma und Fremdaufträge ausgelastet. Der Null-Ostexport und scharfe Konkurrenz aus Asien und Italien machen das Geschäft nicht leichter. Verkaufsleiterin Sylvia Neumeyer blickt eher besorgt drein. Ja, es gibt positive Tendenzen, die Auftragslage bessert sich nach und nach. Sie wird, wie viele Unternehmen in den neuen Bundesländern, mit Bangen abwarten müssen, ob sich nach Rationalisierung und Klärung der Besitzverhältnisse nun der Markt als die nächste Hürde erweist, an der „Aufschwung Ost“ zur Rolle rückwärts wird. Scharfe Konkurrenz, geschlossene Märkte und unerschlossene Vertriebswege lassen kaum mehr als gedämpften Optimismus zu.

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