Zahnloser Rechtsstaat

■ betr.: "Rostock und kein Ende", taz vom 28.8.92

betr.: „Rostock und kein Ende,

taz vom 28.8.92

„Der Rechtsstaat muß seine Zähne zeigen“, bemerkte Franz Josef Strauß einmal. Wenn er dieser Tage von seiner Wolke herabblickt, so kann er feststellen, daß auch der Rechtsstaat immer älter wird: Im montagabendlichen Rostock hatte dieser das Beißwerkzeug jedenfalls nicht zur Hand. Und der Blick in die Sondersitzung des Schweriner Landtages nährte am Freitag die Vermutung, daß auch die Legislative mittlerweile mit den „Dritten“ beißt:

Frei nach dem Motto: „Löst Flecken und bekämpft schädliche Bakterien“, wies der Zwei-Phasen-Reiniger Mecklenburg-Vorpommerns, Innenminister Lothar Kupfer, CDU, jede Verantwortung für die Vorgänge von sich und schob den Schwarzen Peter auf Presse und Asylpolitik. Wenngleich der Koalitionspartner FDP zusammen mit der oppositionellen SPD die Einberufung eines Untersuchungsausschusses erwirkten, diese Art beruhigender Zahnkosmetik ist keineswegs ausreichend. Finden sich die Verantwortlichen, allen voran der Landesinnenminister und sein Rostocker Polizeidirektor Siegfried Kordus, nicht schnellstens zur Generaluntersuchung ein, wird der Rechtsstaat bald gänzlich auf dem Zahnfleisch gehen. Heiko Söhnholz, Lüneburg