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Orientierung am Verkehrswert vor der Maueröffnung

■ Umstritten waren von Anfang an die Preise, die Daimler und Sony für die vormals landeseigenen Grundstücke zahlten

Der Abschluß der Architektenwettbewerbe für die Dienstleistungszentren von Daimler und Sony am Potsdamer Platz setzt einen vorläufigen Schlußpunkt hinter eine lange Reihe Auseinandersetzungen. Umstritten waren vor allem die Preise der vormals landeseigenen Grundstücke, die Kritiker, darunter auch die dafür zuständige EG-Kommission, von Anfang an als zu niedrig erachteten. Die Firma Daimler-Benz, die 1990 für gut 60.000 zentral gelegene Quadratmeter nur 97 Millionen Mark zahlte — 1.505 Mark den Quadratmeter — wurde inzwischen von der EG zu einer Nachzahlung von 34 Millionen Mark verdonnert. Bei Sony steht der EG-Beschluß noch aus. Der japanische Elektroriese zahlte für sein 31.000 Quadratmeter großes Grundstück 1991— kurz nach dem Hauptstadtbeschluß des Bundestages — nur 3.240 Mark für den Quadratmeter, insgesamt 101 Millionen Mark. Zu dieser Zeit verkaufte die Treuhandanstalt Grundstücke, die nur wenige hundert Meter entfernt lagen, für 15.000 Mark den Quadratmeter. Der unabhängige Berliner Gutachterausschuß stellte kürzlich fest, daß das Sony-Gelände mindestens das Doppelte, womöglich sogar 260 Millionen Mark wert ist. Der Chef von Sony-Berlin, Rainer Wagner, sieht das freilich anders. Man habe sich verpflichtet, das alte Filmhaus Esplanade auf dem Gelände für 160 Millionen Mark instandzusetzen und für 25 Mark den Quadratmeter an das Land Berlin zu vermieten, was unter der Kostenmiete liege. Das sei im Vertrag berücksichtigt, und so erkläre sich der Preis von 100 Millionen. Dieser Interpretation können zumindest die Grünen im Abgeordnetenhaus nicht ganz folgen, denn zum einen setzt Wagner für die Restaurierung des Esplanade den stolzen Preis von gut 10.000 Mark den Quadratmeter an, zum anderen berechnet er den gleichen Verlust doppelt: als Baukosten und als entgangene Mieteinnahmen.

Sowohl die Grünen wie auch die Regierungsfraktionen von SPD und CDU sind mit dem Vertragswerk zwischen Sony und der CDU-geführten Finanzverwaltung nicht glücklich. Selbst wenn das Esplanade eine so hohe Minderung des Kaufpreises rechtfertigen würde, müsse man trotzdem zunächst den korrekten Verkehrswert im Vertrag festhalten und dann transparent und nachvollziehbar etwaige Abschläge berechnen, hieß es übereinstimmend. Der Landesrechnungshof hatte schon bei Vertragsabschluß Bedenken angemeldet, da der Senat aus den Erfahrungen mit dem — vom Rechnungshof inzwischen beanstandeten — Daimler-Vertrag nichts gelernt habe. Der zuständige Prüfungsgebietsleiter des Rechnungshofes, Volker Diederichs, widerspricht denn auch Wagners Interpretation. Das neue Gutachten nehme auf das Esplanade genausoviel oder -wenig Rücksicht wie die ursprüngliche Verkehrswertermittlung des Bausenators, bei der besagte 100 Millionen angesetzt wurden. Die Differenz zwischen dem ersten und dem zweiten Wert sei vielmehr dadurch zustandegekommen, daß der Gutachterausschuß die Grundstückspreisentwicklung stärker beachtet habe. Der erste Verkehrswert habe sich hingegen mehr an den Bodenrichtwerten des Bausenators orientiert, die nur alle drei Jahre erneuert würden. Diese Werte hätten sich zu stark an den viel niedrigeren Preisen des Potsdamer Platzes vor der Maueröffnung orientiert.

Sowohl Daimler wie auch Sony profitieren außer von dem billigen Grundstückspreis von der nicht unbeachtlichen, sukzessiven Vergrößerung der vermietbaren Geschoßfläche. Ursprünglich betrug die veranschlagte Geschoßflächenzahl (GFZ) — ein Indikator für die Stockwerkezahl im Verhältnis zur Grundstücksfläche — 3,5, mittlerweile ist die GFZ bei 5 angelangt. Das sind für Daimler ein Plus von 60.000 Quadratmeter vermietbarer Fläche, für Sony etwa 22.000 Büroquadratmeter mehr. Daimler muß pro 0,1 GFZ- Überschreitung aber nur 25 Mark den Quadratmeter nachzahlen, Sony nur 30 Mark. Die gesamte Nachzahlung beider Konzerne beträgt damit gut 20 Millionen Mark. Allein Daimler verdient aber durch die zusätzlichen Büroflächen nach Berechnungen des Berliner Bausenators Wolfgang Nagel 300 Millionen Mark mehr.

Am Potsdamer Platz wird außerdem Hertie bauen; der Konzern bekam seinen früheren Grundbesitz wieder, nachdem der Senat das Gelände kurz vor der Maueröffnung für etwa 90 Millionen Mark von der DDR kaufte. Um ein viertes Grundstück verhandelt die süddeutsche Elektrofirma Asea Brown Bowery mit dem Senat. Der Heidelberger Großunternehmer Roland Ernst hat sich inzwischen in den Teil des Geländes eingekauft, der nicht dem Land gehört.

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