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»Das Klima in der Stadt ist härter geworden«

■ Das Westberliner Projekt »Raupe und Schmetterling« arbeitet seit zehn Jahren mit Frauen mittleren und fortgeschrittenen Alters/ Zur Zeit besonders gefragt: Beratung für Berufsrückkehrerinnen

Berlin. Frau? Schwer vermittelbar. Über 40? Keine Chance. Wiedervereinigtes Deutschland: wieder einmal massive Verdrängung vom Arbeitsmarkt. Zwar ist der Wiedereinstieg in den Beruf nur eines der Probleme, bei deren Bewältigung das West- Berliner Projekt »Raupe und Schmetterling« Frauen mittleren und fortgeschrittenen Alters unterstützen will. Zur Zeit aber drängt sich dieses Thema in den Vordergrund, und viele Frauen machen von der Beratung für Berufsrückkehrerinnen Gebrauch. Jährlich gehen 14.000 Frauen durch die Räume des Projekts, das in diesen Tagen sein zehnjähriges Bestehen feiert.

Nach der Maueröffnung, berichtet die Mitarbeiterin Gundula Bölke- Zeuner über diesen Teil der Arbeit, seien viele erwerbslose Frauen aus Ost-Berlin gekommen. Was sie suchten, war — anders als bei vielen West-Berlinerinnnen — nicht in erster Linie allgemeine Orientierungshilfe nach einer längeren Pause in der Erwerbstätigkeit, sondern Informationen: Wie schreibe ich meine Bewerbung? Welche Umschulungsmöglichkeiten gibt es? Es gelang, für diesen neuen Bedarf eine eigene Stelle — besetzt mit einer Ost-Berlinerin — zu schaffen.

Etwas später kamen Mitarbeiterinnen von Frauenprojekten im Ostteil der Stadt, die Unterstützung suchten — im Umgang mit Behörden, aber auch im »Projektmanagement«. Wozu Beratung — und wie? »Wir bilden Frauen in der Frauenbildungsarbeit fort«, berichtet Angelika Mundt. Die Zusammenarbeit mit Projekten aus der anderen Stadthälfte war nicht immer unproblematisch. Die Ost-Berlinerinnen wollen sich nicht überfahren lassen. Um das zu vermeiden, reagieren die »Raupe und Schmetterling«-Mitarbeiterinnen erst auf deren Ansprache hin.

Ein anderer Teil der Arbeit konzentriert sich auf die politischen Rahmenbedingungen. Zusammen mit anderen Beratungsstellen haben die Mitarbeiterinnen Änderungsvorschläge zum neuen Arbeitsförderungsgesetz erarbeitet. Und den quantitativ größten Teil der Arbeit stellen weiterhin die Freizeit- und Selbsterfahrungsgruppen dar. Das Interesse — von Frauen verschiedenster sozialer Herkunft — ist so groß, daß fast alle Gruppen doppelt besetzt werden könnten. Nicht nur Ost-Berlinerinnen nehmen mit steigender Tendenz an diesen Aktivitäten teil, sondern auch West-Berlinerinnen. Von der wachsenden Arbeitslosigkeit in der Stadt, erklärt die Mitarbeiterin, seien auch sie überproportional betroffen, die Einsamkeit nehme zu. Die Zukunftspläne des Projekts klingen entsprechend defensiv: »Diesen Bedarf auffangen«, »das Gewachsene erhalten.« Denn allein das könnte schwierig werden. »Raupe und Schmetterling« verfügt nur über zwei feste Stellen. Die Sicherung der übrigen bleibt durchzusetzen. Claudia Breger

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