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KOMMENTARAn den Rand verdrängt

■ Asylstelle: Nicht Räume fehlen, sondern der politische Wille

Kann man sich vorstellen, Unter den Linden, gleich neben Staatsoper und der Neuen Wache, schlängelten sich jeden Tag Hunderte von Asylbewerbern aus dem ehemaligen DDR-Außenministerium bis auf die Prachtstraße? Wie schnell würden sich die CDU-Saubermänner zu Wort melden und sorgenvoll von der drohenden Beschädigung des Berlin-Bilds sprechen. Schließlich könnten Touristen im Winter die stundenlang in der Kälte wartenden Flüchtlinge erleben und gar der Vorwurf einer menschenfeindlichen Behandlung erheben. Der Senat würde schleunigst dafür sorgen, daß die Asylbewerber in geheizten Räumen unterkämen, bis ihr Antrag bearbeitet ist.

Doch die Praxis ist anders. Bereits die jetzige Anlaufstelle für Asylbewerber in Tiergarten ist so versteckt untergebracht, daß man sich nur zufällig dorthin verirrt. In der geplanten Asylstelle in Hohenschönhausen wird dies noch verschärft praktiziert: Am Rand der Stadt gelegen, spricht aus dem Plan der Wille, es diesen Menschen möglichst unbequem zu machen. Und auch die kleinen Zugeständnisse wie die Einrichtung einer Wärmehalle, mit denen der Senat nach Berichten der taz das Vorhaben nachbesserte, ändern daran nichts. Die Planung ist durchdrungen von einer administrativen Form von Ausländerfeindlichkeit. Die Menschen sollen an den Rand der Stadt gedrängt werden — und zugleich verdrängt aus der Wahrnehmung. In der City dagegen wäre das Problem unübersehbar und erzwänge, sich damit zu beschäftigen. Die Beteuerungen des Senats, man habe außer in Hohenschönhausen keine andere Unterbringungsmöglichkeit für die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber gefunden, sind nicht haltbar. Möglichkeiten, die Flüchtlinge in derzeit leerstehenden Gebäuden im Zentralen Bereich unterzubringen, gibt es genügend — falls man den Willen dazu hat. Wer dennoch an Hohenschönhausen festhält, dokumentiert lediglich, daß es doch um mehr geht als um angebliche Sachzwänge und Raummangel. Gerd Nowakowski

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