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Wasser bis zum Hals

■ ARD: Zukunftspläne eines Senders vor der Pleite

Auch wenn der ARD das Wasser bis zum Halse steht, was die Finanzen betrifft: auf Frequenzen soll dennoch nicht verzichtet werden. „Wir werden kein Terrain aufgeben, die ARD ist kein Laden, der zum Ausschlachten bereitsteht“, so der Vorsitzende des Ersten, Friedrich Nowottny, im Anschluß an eine Arbeitssitzung der ARD-Intendanten in Berlin.

Das kämpferische Pfeifen im Walde kann die ARD gut gebrauchen, denn ihr fehlen für den Zeitraum von 1992 bis 1995 rund 1,1 Milliarden DM. Vor allem die Talfahrt der Werbeumsätze hat dramatische Formen angenommen. Zwar wurde der ARD-Werbepreis zum 1.Januar 93 um 37 Prozent gesenkt; das aber wird nicht ausreichen, das Defizit auszugleichen. Auch von der gerade erst vollzogenen Gebührenerhöhung ist für die ARD nicht viel übriggeblieben.

Norbert Seidel, der Vorsitzende der Finanzkommission, rechnete vor: Von den 4,80 DM gingen an den Europäischen Kulturkanal, den nationalen Hörfunk und die Anschubfinanzierung 2,50 DM. Eine Mark benötigen die elf Sender, um den Werbeverlust aufzufangen. Es bleibt ein Rest von einer Mark für das Programm, und das bis 1995.

Zwar sind die Werbeeinbrüche des ZDF nur minimal, aber gemeinsam soll jetzt an der 20-Uhr-Werbegrenze gerüttelt werden. Ein gemeinsamer Brief von ZDF und ARD an die Ministerpräsidenten der Länder soll die dramatische Finanzsituation verdeutlichen. Nowottny geht davon aus, daß die Landesfürsten durch die Zahlen nicht unbeeindruckt bleiben, „denn die sind so miserabel, daß man schon ziemlich dickhäutig sein muß, daraus keine Konsequenzen zu ziehen“. Zunächst soll die Werbezeitbegrenzung nur bei großen, teuren Sportereignissen fallen. Längerfristig aber strebt der ARD-Vorsitzende die Erweiterung der Werbemöglichkeiten um fünf Minuten nach 20 Uhr an.

Auf der Tagesordnung der Intendantensitzung stand auch das Projekt eines öffentlich-rechtlichen Informationskanals. Hier hatte die Ankündigung des ZDF, es wolle prüfen, ob es als Zulieferer für einen geplanten deutschsprachigen Ableger von CNN in Frage käme, für einige Aufregung gesorgt. Die ARD will nun dem ZDF vorschlagen, eine Arbeitsgruppe zu gründen, die untersuchen soll, ob der Satellitenkanal von Eins plus gemeinsam zu einem deutschen Nachrichtenkanal umgearbeitet werden kann. Wenn möglich, mit Hilfe des ORF und mit CNN.

Trotz der zu erwartenden Konkurrenzsituation auf diesem Markt — mit Vox und n-tv wollen zwei weitere News-Programme auf Sendung gehen — gibt sich NDR-Intendant Jobst Plog, der Verhandlungsführer der ARD, optimistisch: „Es kommt Bewegung in die Szene, es kommt Stimmung auf, noch ist Zeit.“

Den beiden Programmen des nationalen Hörfunks, dem Hörfunk der Länder (HdL), steht die Riege der ARD-Intendanten gelassen gegenüber. Sie sehen keine Konkurrenz, vielmehr eine willkommene Ergänzung der vorhandenen Programme der Landesrundfunkanstalten.

Da man gerade in Berlin weilte, erklärte die ARD ihre Bereitschaft, die produktionstechnische Betreuung für die Olympischen Spiele, falls sie denn im Jahre 2000 in Berlin stattfinden, zu übernehmen. Die ARD werde, so Nowottny, ihre jahrzehntelangen Erfahrungen in der Berichterstattung von großen internationalen Sportereignissen einbringen.

Nicht zuletzt wurde aber auch über das Programmschema gesprochen. Programmdirektor Günter Struve kündigte einschneidende Veränderungen an, vor allem im Vorabendprogramm. So soll von 6Uhr morgens bis in den Abend hinein fast stündlich eine „Tagesschau“ sowie um 17.05 Uhr eine fünfminütige Sportschau ausgestrahlt werden. Anschließend rückt der „Länderreport“ vom SFB ins Programm. Am Freitag wird nach dem Spielfilm ein neues Reportagemagazin ausgestrahlt.

Probleme gibt es für den Montag abend: Durch „Fakt“ (vom MDR) ist die Zahl der politischen Magazine auf sechs angewachsen, was einen Senderhythmus von sechs Wochen bedeutet. Das aber wird innerhalb der ARD als störend empfunden. Bis April, so Struve, soll eine vertretbare Lösung gefunden werden. Karl-Heinz Stamm

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