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Die roten Benetton-Brigaden

■ John Frankenheimers neuer Film „Verliebt in die Gefahr“

Wer sich einmal in einem der vielen „Banana Republic“-Läden in den USA umgetan hat, entdeckt eine Art Angstlust im Umgang mit Guerilleros und Terroristen; mit Khaki-Hemden, Patronengürteln und Leisetretern kann man sich flugs vom Marlboro-Mann zum Mittelamerika-Journalisten stilisieren, der sich under fire am allerwohlsten fühlt.

Regisseur John Frankenheimer hat dem Geruch aus Pulverdampf noch ein weiteres Aphrodisiakum hinzugefügt: Die Kulisse gibt Rom ab, im klassisch morbiden Europa, in dem Rotbrigadisten zündeln und morden, auf schnellen Mofas durch dunkle Gassen zischen und dabei — hui!! — stets aussehen wie auf der neuesten „Benetton“-Werbefläche.

Wir schreiben also das Jahr 1978 (im Originaltitel zum „Year of the gun“ gekürzt). David Ambrose (Andrew McCarthy), ein mittelprächtig erfolgreicher Politik-Journalist, kehrt zurück in die waffenstarrende Cinecittà, wo er einen Job bei einem kleinen englischen Blatt und ein RRRasseweib von einer Italienerin hat, die mit markigen Sprüchen über ihre frigide Haushälterin aufwarten kann. Das Filmsignal für die große Probe, die unserem Babyface nun bevorsteht, ist die grell erleuchtete Negativ-Aufnahme seines Ausweises bei der Paßkontrolle: Was er vorher war, ist ausgelöscht.

Im Kugelhagel treffen sie sich: Sharon Stone hat den Icepick aus „Basic Instinct“ gegen die Fotokamera eingetauscht, um nun mit dieser — phallisch wie immer — auf ihre Opfer loszufahren. Als Fotojournalistin für Newsweek will sie, seit einem Erlebnis in Saigon (wo sonst?), nicht mehr vom Platz weichen: „I love war. Does that make me unattractive to you?“ fragt sie Babyface Ambrose, nachdem sie sich sehr fotogen in einer Demo eins hat auf die Rübe geben lassen. „'course not!“ möchte man rufen, denn dann würde doch die Kette nicht mehr halten, die den rauhen, aber ehrlichen Sex mit dem rauhen, aber ehrlichen Journalismus und zwei Amerikaner im Ausland rauh, aber ehrlich verbindet. Die feine Italienerin trägt Kostüme, Sharon alias Alison King trägt Wildleder und karierte Hemden. Die Kleidung verrät gleich, wer das gute und wer das böse Mädchen, wer die Hure und wer der Kumpel ist, auch wenn die Inszenierung es uns zunächst neckisch andersherum verkaufen will.

Keiner konnte ernstlich hoffen, daß Frankenheimer bei soviel ZZZecks in Bombennächten noch zur Nebensache italienischer Terrorismus kommen würde. Die wenigen Informationen, die er sich besorgt hat, scheinen aus einem Reisebüro zu stammen. Als ein kleiner Trupp Rotbrigadisten bei Ambrose' Freund, einem italienischen Englischprofessor, Unterschlupf sucht, erscheinen sie wie wildgewordene Bürgerkinder, die silberne Löffel klauen, mit dem Essen rumschweinen und beim Pinkeln die Tür offen lassen (man erinnere sich an die Bild-Reportagen über die Kommune I). Ambrose wirft dem Professor vor, er wüßte nicht, auf welcher Seite er stehe, worauf der den einzig intelligenten Satz des Films entgegnet: „You'd just nuke them, right?“

Solange Frankenheimer auf heimatlichem Territorium arbeitete, hatten seine Filme zumindest Präzision: „The Mantchurian Candidate“ („Botschafter der Angst“, 1963) ist ein Meisterwerk des Polit-Thrillers, aber „Verliebt in die Gefahr“ benutzt die politischen Ereignisse bloß als rasante Folie für eine Instant-Love- Story, darin solchen Schwachsinnsstreifen wie „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ oder „Reds“ ähnlich.

Daß der Film in einer Art CNN- Studio endet und ihn in Washington und sie in Beirut zurückläßt, zeigt noch einmal mehr, daß hier der Rückblick auf Vietnam mit dem auf Kuwait versetzt wurde. Nuke 'em! Mariam Niroumand

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