■ Im Streit um Maastricht wechseln die Argumente die Seiten: Danke Helmut, danke Francois!
Danke, ihr beiden! Viel Staat ist mit Euch zwar nicht mehr zu machen, aber daß Ihr noch rechtzeitig den Maastrichter Vertrag zusammengeschnürt habt, dafür muß Euch um so mehr Dankbarkeit zuwachsen, je länger die Debatte um Maastricht dauert. Bei aller Europarhetorik der Regierung, trotz aller Kritik einiger Oppositioneller müssen wir im Bundestag mittlerweile mit anschauen, wie die Argumente langsam die Seiten wechseln. Schon gehen Graf Lambsdorff und Theo Waigel mit der Angst um die Deutschmark hausieren, während auf der grün-bürgerbewegten Gegenseite nun auch Werner Schulz vor einem Scheitern von Maastricht warnt, weil dies nur die bisherige Integration in Frage stellen könne.
Wie recht Schulz mit dieser Sorge hat, zeigen Waigels patriotische Aufwallungen vom selben Tag. Hoffentlich wird es nicht mehr als ein Lacherfolg, wenn der Finanzminister vorschlägt, den Ecu lieber „Euromark“ zu nennen. Daß Waigels Kleinsparer-Symbolismus den Deutschen irgendwelche Sorgen nimmt, läßt sich kaum erwarten — wohl aber, daß er in den Nachbarländern die Angst vor teutonischen Dominanzbestrebungen schürt.
Während die Bundesregierung weiterhin warnt, bei einem Scheitern von Maastricht drohe der Rückfall in nationalstaatliche Muskelspiele, ist sie selbst schon davon erfaßt. Auch Bonn will die Mißstimmung über die Brüsseler Behörden vor allem dafür nutzen, der eigenen Bürokratie wieder mehr Macht zuzuschanzen — als ob es den Bürgern nicht egal wäre, welche Beamten es sind, die da hinter verschlossenen Türen Europa aufbauen. Die neue deutsch-britische Feindseligkeit hat bereits hinlänglich gezeigt, wie gerne die nationalen Regierungen ihre je eigenen Versäumnisse — zu hohe deutsche Zinsen, zu hoch bewertetes britisches Pfund — am liebsten dem bösen Nachbarn in die Schuhe schieben. Kaum anzunehmen, daß die drohende Rezession für bessere Umgangsformen sorgen wird.
Sie haben ja alle recht, die Verteidiger der Demokratie, die in Maastricht einen Triumph des Bürokratismus sehen. Und auch diejenigen dürfen recht behalten, die den politischen Überbau über die Wirtschaftsunion vermissen, der eine Währungsunion erst stabilisieren kann. Nur: diese Mängel lassen sich in den kommenden Jahren vergleichsweise mühelos nachbessern. Kippt Maastricht aber vollständig, dürfte es erst mal nur noch schlechter werden — auch ohne Helmut, auch ohne Francois. Hans-Martin Tillack
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