: Das Paradies verpaßt
■ Ridley Scotts Columbus-Film: Knatsch mit der Freundin
Blutrot beginnt „Columbus 1492 — Die Eroberung des Paradieses“. Ausweglos rot ist die Leinwand, auf der schwarz Filmtitel und Teilansichten alter Stiche ablaufen, begleitet von der Musik Vangelis', die den lateinischen Chorgesang der Mönche simuliert. Pompös, geradezu bombastisch wird ein Film eröffnet, der in der Folge langweilt. Das erwartet man nicht von Ridley Scott, der zuletzt mit Thelma & Louise brillierte. Man erwartet nicht diese betuliche Abfolge der Ereignisse, angefangen am Meeresstrand mit Vater und Sohn bis zum Abspann, in dem der nicht erzählte Rest der Geschichte notiert ist.
Der Vater will, so versteht es der Sohn, das Meer der Dunkelheit überqueren. Ecco, der Mensch der Renaissance, individualisiert, kämpferisch, wissenschaftlich; der sich deshalb besserwisserisch zu sagen traut il mondo è poco, die Erde ist kleiner, als man glaubt. Das Gegenteil davon ist wahr. Aber ein Mann, der Geschichte macht, kann es dahin bringen. Eigentlich ist das ja interessant, daß die Erweiterung des Horizonts von der Prämisse ausgeht, die Welt kleinkriegen zu wollen. Aber das gehört nicht zum Film. Hier gibt es einen Helden, Columbus, den Gerard Depardieu mit üblicher gediegener Massigkeit verkörpert. Es gibt die Gegenspieler, den eitlen Mönch Arojaz (Kario Salem, wie einem El-Greco-Gemälde entstiegen), der die Position der katholischen Kirche hält, den ehrgeizigen Richter Bobadilla (Mark Margolis). Daneben gibt es Verbündete und Förderer, den Mönch Marchena (Fernando Rey), den Seefahrer Pinzón (Tcheky Karyo), Sanchéz (Armand Assante), den Schatzmeister der spanischen Krone, und schließlich Isabella, Königin von Kastilien (Sigourney Weaver). Sie ermöglicht es dem Cristobal Colón, seine Schiffe Santa Maria, Santa Clara (Nina) und Pinta zur Abfahrt klarzumachen.
Blutrot, grandios rot versinkt die Sonne im Meer. Im Gegenlicht bewegen sich schwarz die Schiffe in unruhiger Fahrt dem Bekannten zu, das sich als das Unbekannte herausstellen wird. Der Kreis zum Anfang ist geschlossen.
Der Seeweg nach Indien endet auf dem amerikanischen Kontinent vorgelagerten Inseln. Dort finden sich keine Handelsstädte, nicht die Reichtümer Indiens, dafür aber das Paradies, wie Columbus schrieb. Die Indios, die Menschen in dios, in Gott, waren freundlich, und mit ihrem Entgegenkommen wollte Columbus die neue Welt erbauen. Aber er wäre ja kein Träumer, Visionär und Held, wenn er nicht scheiterte. Seine zurückgelassene Mannschaft findet er bei seiner zweiten Landung ermordet vor. Sein Begleiter Moxica (Michael Wincott) will Rache üben, darf nicht und tut es doch, indem er die Indios in den Goldminen martert. Columbus erbaut derweil die Idealstadt Isabella, die erst Opfer von Moxicas Brandstiftung wird, um von einem tropischen Hurrikan endgültig dem Erdboden gleichgemacht zu werden. Columbus wird seines Postens als Vizekönig enthoben und in Spanien eingekerkert. Aber Isabella hat nun einmal Gefallen gefunden an der Beharrlichkeit und Unerschrockenheit des Italieners und gestattet ihm eine letzte Expedition in das von Amerigo Vespucci entdeckte amerikanische Festland.
Dazwischen gibt es Bilder voller Schönheit, voller Bedeutung. Die spanische Hofreitschule läßt die Pferde auf den Hinterbeinen tanzen, ein solches Pferd unter den Schenkeln, das ein solches Manöver beherrscht, ist mehr wert, als drei Schiffe unter Kommando zu haben. Das mächtige, das adelige, das intrigante Spanien, die conquista, blickt so auf den Fußgänger herab, auf Depardieu, den Immigranten, den aufgestiegenen Kaufmann aus Genua. Die nicht Sattelfesten, die Indios, und die Frauen sind auf seiner Seite. Neben Isabella der Königin Angela Molina als seine Geliebte Beatriz. Ihr Part ist ein unfreiwillig komischer Running Gag, in dem sie dem — ob seines ständigen Weggehens zerknirschten — Columbus immer wieder versichert, daß sie ihn als den, der er ist, liebe. Dann kann er wieder frohgemut reisen. Und wenn er in den düsteren Stunden seiner späteren Reisen immer wieder sagt, aber er habe doch il nuovo mondo entdeckt, habe die Utopie gewollt, den historischen Neuanfang in einer neuen Welt erträumt, und wir sehen, daß es nicht funktionierte: Dann ist es gerade das, was langweilt, weil die Erzählung, daß die Utopie nicht zu machen ist, aber Geschichte wenigstens, durch Männer, die einen Traum haben, sehr wohl, allzu trivial ist. Brigitte Werneburg
Ab 15. Oktober im Kino; Ridley Scott: „Columbus 1492 — Die Eroberung des Paradieses“, mit Gérard Depardieu, Sigourney Weaver, Armand Assante u.a., britisch- französisch-spanische Koproduktion 1992.
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