: SPD: In Treue fest zu Manfred Stolpe
Der Ministerpräsident will gerichtlich gegen Ex-Stasi-Oberst Roßberg vorgehen/ Bündnis 90 fordert vorübergehende Amtsniederlegung/ Ausschuß lädt Stolpe und Roßberg ■ Von Wolfgang Gast
Berlin (taz) — Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) will gerichtlich gegen die Aussagen des MfS-Offiziers Klaus Roßberg vorgehen. Der MfS- Mann hat in einer eidesstattlichen Erklärung gegenüber dem Privatsender Sat.1 versichert, dem Kirchenmann Stolpe 1978 persönlich die Verdienstmedaille der DDR in einer konspirativen Wohnung übergeben zu haben. Stolpe bewertete die Aussage des langjährigen Führungsoffiziers als „im Kernpunkt erfunden und eine Lüge“. Dies gelte auch für das, „was im Zusammenhang mit der Medaille gesagt worden ist“.
In Bonn erklärte der Ministerpräsident noch am Dienstag abend, er habe „die Konsequenzen gezogen“ und einen Rechtsanwalt beauftragt, Roßberg wegen „falscher, ehrverletzender Aussagen“ anzuzeigen. Stolpe beharrte darauf, seine Verdienstmedaille vom 1979 verstorbenen Staatssekretär für Kirchenfragen, Hans Seigewasser, erhalten zu haben.
Die Bonner SPD-Fraktion sah am Dienstag abend nach einem Treffen mit dem Postdamer Regierungschef keine Veranlassung, dessen Einlassungen in Frage zu ziehen. Bei dem fast dreistündigen Gespräch sollen die Parlamentarier großes Verständnis für die Schwierigkeit gezeigt haben, unter den Bedingungen einer Diktatur etwas für die Menschen tun zu wollen. Fraktionschef Hans-Ulrich Klose erklärte anschließend: „Wir haben Vertrauen zu Manfred Stolpe.“ Das hätten die SPD-Abgeordneten bereits vorher gehabt — bei ihm persönlich sei das Vertrauen „nach dem intensiven Gespräch, wie wir es nie zuvor hatten ... sogar gewachsen“.
Schützenhilfe leistete auch SPD-Vize Wolfgang Thierse. Er erklärte, daß er sich durch ehemalige Stasi-Offiziere nicht beeinflussen lasse. Er werde Stasi-Mitarbeitern prinzipiell nicht glauben. Zweifel äußerte dagegen die Ostberliner SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Barbe. Sie hielt dem Kirchenmann Stolpe vor: „Es ist konspirativ erfolgt.“ Problematisch sei, daß er weder der Synode noch den Bischöfen Rechenschaft abgelegt habe.
Das in Stolpes Ampelkoalition mitregierende Bündnis 90 hat dem Ministerpräsidenten inzwischen nahegelegt, sein Amt bis zur Klärung der Stasi-Vorwürfe ruhen zu lassen. Die erfolgreiche Koalition würde andernfalls weiter an Handlungsspielraum verlieren. Das Bündnis 90 appellierte an die SPD, im Interesse der Glaubwürdigkeit der Politik ihre „Aussetztaktik“ im Fall Stolpe zu beenden.
Am 23. Oktober könnte es vor dem Untersuchungsausschuß in Potsdam zu einer ersten Klärung der neuen Vorwürfe kommen. Ex- Oberstleutnant Roßberg wurde erneut vom Ausschuß als Zeuge vorgeladen. Am selben Tag soll auch der Ministerpräsident erscheinen. Möglicherweise wird sich dann zeigen, ob Stolpe die Geister, die er rief, auch wieder loswerden kann.
Stolpe selbst hat sich auf die Aussagen der Stasi-Offiziere Roßberg und Wiegand berufen, wonach er ohne sein Wissen als IM „Sekretär“ geführt wurde. Dies hatten beide auch vor dem Ausschuß unter Eid bestätigt. Nach dem Willen der CDU-Ausschußmitglieder soll nun auch Wiegand für den 23. Oktober geladen werden. In seiner eidesstattlichen Erklärung hat Roßberg weiter ausgeführt: „Bei der Zusammenarbeit mit kirchlichen Vertretern legte das MfS andere formale Kriterien fest, als bei Informanten anderer Diensteinheiten. [...] Wir durften sie in der Regel nicht mit einer schriftlichen Verpflichtung oder einer Verpflichtung per Handschlag düpieren. Unser Kriterium war: Man muß einen gemeinsamen Konsens finden, man muß ständig Kontakt halten — eine Dauerverbindung schaffen.“ Manfred Stolpe habe nicht nur diese Bedingungen erfüllt. Er habe, wie andere „Informanten“ auch, an einer wichtigen Stelle gesessen, so daß es sich gelohnt habe, „mit ihnen zu sprechen“. Auch das Kriterium, daß „die Vertraulichkeit von beiden Seiten gewahrt werden mußte“, sei erfüllt worden.
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