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Kill 'em all – aber effektvoll

Tom Clancy und die Verfilmung seines Romans „Die Stunde der Patrioten“  ■ Von Karl Wegmann

Es gibt Bücher, die werden sogar von Politikern geliebt. Als Dan Quayle, damals Senator, heute Vizepräsident, im Kongreß um den Erhalt des Asat-(Antisatellitenwaffen)Programms kämpfte, empfahl er den Abgeordneten als Überzeugungslektüre Tom Clancys Weltkrieg-III-Thriller „Red Storm Rising“ – Quayle siegte. Ronald Reagan war von den Büchern des Kommunistenfressers Clancy naturgemäß so begeistert, daß er ihn zum Tee ins Weiße Haus einlud. Auf Flugzeugträgern und U- Booten, in Panzern und Düsenjägern, bei Schießübungen der Armee und simulierten Geiselbefreiungen des FBI ist der amerikanische Unterhaltungsschreiber inzwischen ein gern gesehener Ehrengast, und US-Militärakademien nutzen Clancy-Bücher als „Fall-Studien“.

Tom Clancys High-Tech-Thriller, vollgestopft mit einem verschrobenen Detailfetischismus, stürmen noch druckfrisch die Bestsellerlisten. Copyright und Filmrechte läßt der clevere Autor über eine eigene, nach seinem Romanhelden benannte Firma Jack Ryan Enterprises Ltd. vermarkten. Für sein letztes Buch, „The Sum of All Fears“ (dt. „Das Echo aller Furcht“, bei Blanvalet), bekam Clancy vorab vier Millionen, für seinen siebten – noch nicht geschriebenen Roman – kassierte er 14 Millionen Dollar; der höchste Vorschuß, der jemals einem Autor gezahlt wurde.

1947 in Baltimore geboren, wuchs Tom Clancy als Sohn eines Briefträgers auf und genoß eine streng katholische Erziehung. Schon sehr früh spürte er einen starken Drang zu den Waffen. Sein Berufswunsch: Panzerkommandant oder U-Boot-Kapitän („Ich wäre ein guter Panzerkommandant geworden – ich habe alles über Rommel gelesen“). Doch wegen seiner extremen Kurzsichtigkeit bestand er nicht einmal den Schnellkurs für Reserveoffiziere. Nach einem Englischstudium heiratete er eine Krankenschwester, wurde Vater von vier Kindern und arbeitete als Versicherungsmakler. Seine Freizeit widmete er Schießprügeln aller Art und fand das Rumgeballere „besser als Sex“.

Die Idee zu seinem ersten Techno-Thriller („Jagd auf Roter Oktober“) kam dem Militäranbeter und strammen Rechtsaußen, als er 1976 einen Zeitungsartikel über die Besatzung einer sowjetischen Fregatte las, die nach Schweden desertieren wollte. Um sich mit der Welt der Navy vertraut zu machen, studierte Clancy gängige Marinehandbücher wie „Combat Fleets of the World“ und „Guide to the Soviet Navy“. Sein wichtigstes Hilfsmittel war jedoch das Videospiel „Harpoon“, ein billiger Seeschlachten-Simulator.

Das fertige Buch wollte zunächst niemand haben. Clancy schaffte es schließlich 1984, den Untersee-Reißer dem auf Marinefachbücher spezialisierten Verlag „Naval Institute Press“ anzudrehen. „Eigentlich hatte ich ja alles falsch gemacht“, meint Clancy heute tiefstapelnd, „ich hatte keinen Agenten, kein Exposé und einen Verlag, der noch nie einen Roman veröffentlicht hatte.“ „Jagd auf Roter Oktober“ erschien in einer Auflage von 15.000 Exemplaren, Clancy erhielt ein Honorar von 5.000 Dollar. Inzwischen wurde der Roman in mehr als 20 Sprachen übersetzt, die Verkaufszahlen haben die Sechs-Millionen- Grenze überschritten, und der Autor ist längst Multimillionär.

Bei der – nach anfänglichem Bestseller-Erfolg – zwangsläufigen Verfilmung bemerkten die Drehbuchschreiber aus Hollywood zu ihrem Leidwesen, daß es in „Jagd auf Roter Oktober“ keine Liebes- oder gar Sex-Szenen gab. Typische Clancy-Logik: High-Tech-Waffen sind Männerspielzeug, und was braucht Mann einen Schwanz, wenn er ein U-Boot hat. Doch dann ging gerade der Kalte Krieg zu Ende. Also strich die Traumfabrik kurzerhand Clancys ideologische Haßtiraden und sein patriotisches Potenzgeschrei und machte aus dem Russen-Verächter Ramius (gespielt von Sean Connery) einen pflaumenweichen Friedens- Apostel. Selbst die sehr realistische Schilderung vom Durchschmelzen eines Atomreaktors in einem getauchten russischen U- Boot fiel der Zensur zum Opfer. Übrig blieben bunte Bilder. Indem sie die Geschichte entschärften, opferten die Produzenten und Regisseur John McTiernan gleichzeitig die Spannung auf dem Altar der Perestroika.

Bei der Adaption von „Die Stunde der Patrioten“ („Patriot Games“), die Clancy 1987 in seinem Betonkopf ausgebrütet hatte, ging man nicht mehr so zimperlich zur Sache. Hier geht es schließlich nur um Terroristen, auf wen, verdammt nochmal, sollte man da schon Rücksicht nehmen müssen. Kill 'em all – und zwar möglichst effektvoll, hieß diesmal die Devise. Die brutalen IRA-Jungs, „geführt von einem Diplompolitologen mit vielen Seminarscheinen in Marxismus“, blieben also drin, der britischen Königsfamilie aber, die Clancy ungeniert als Romanpersonal verbraten hatte, mochte man einen Leinwandauftritt nicht zumuten. Im Buch rettet der Amerikaner Jack Ryan, ein Militärhistoriker mit Marines- und CIA-Schulung, Prinz Charles und Lady Diana vor einem Anschlag irischer Terroristen mitten in London. Ein paar hundert Seiten weiter versuchen es die Fanatiker noch einmal, diesmal in den USA, werden aber von Ryan und dem Thronfolger in einem Showdown zu Lande, zu Wasser und in der Luft allesamt niedergemetzelt. Im Film installierte man anstelle des Prinzen einen gewissen Lord Holmes (James Fox), der sich zwar von Ryan (Harrison Ford) retten läßt, ansonsten aber für die Geschichte nicht weiter wichtig ist. Bei der IRA-Hetze hält sich Regisseur Phillip Noyce ein bißchen zurück. Die Terroristen sind eine nur für sich selbst kämpfende Splittergruppe, und in einer Szene darf ein alternder irischer Aktivist (Richard Harris) den CIA-Mann darauf hinweisen, daß jedes Volk das grundsätzliche Recht hat, für seine Selbstbestimmung zu kämpfen. Sonst aber ist man Clancys Geist und seinen technologischen Sadismen treu geblieben: Der Satellit überträgt in Echtzeit den Angriff auf das Terroristenlager. In der CIA-Zentrale feiern die Krieger die Massenschlachtung von Menschen vor dem Bildschirm. Die infraroten Bilder erinnern an die „Videospiel“-Abschüsse aus dem Golfkrieg und die zynischen Kommentare über „sauberes Töten“ mit „intelligenten Waffen“.

Wie man hört, will Hollywood Clancys Alter ego Jack Ryan in Serie gehen lassen. Alec Baldwin war zwar in „Jagd auf Roter Oktober“ ein weitaus überzeugenderer CIA- Mann, aber „Indiana“ Ford lockt mehr Zuschauer. Arbeit gibt es genug für ihn. „Der Kardinal im Kreml“ (Ryan killt Russen und rettet die Perestroika), „Der Schattenkrieg“ (Ryan läßt die Drogenbarone in Kolumbien mit Hilfe der US-Army bombardieren), „Das Echo aller Furcht“ (Ryan jagt Terroristen, die in einem Football-Stadion eine Atombombe gezündet haben) warten alle darauf, das Licht der Leinwand zu erblicken.

Und was treibt Tom Clancy zur Zeit? Nun, der Autor war zufällig an Bord des Luxusliners „Queen Elizabeth 2“ als dieser am 7. August vor der amerikanischen Ostküste auf Grund lief. Clancy nahm den Unfall persönlich – irgendjemand hatte es doch tatsächlich gewagt, ihm eine Heidenangst einzujagen. Jetzt sammelt er wie verrückt Informationen über die Havarie und sucht nach Verantwortlichen. Zweifellos wird er bei seiner Recherche auf Terroristen stoßen, dann kann er endlich Jack Ryan wieder von der Leine lassen und einen neuen Bestseller schreiben.

Phillip Noyce: „Die Stunde der Patrioten“. Mit Harrison Ford, Anne Archer, Richard Harris u.a.; USA 1992; 116 Min.

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