■ Kommentar: Angst vor Antworten
Das erbärmliche Bild, welches die Partei seit Bekanntwerden der langjährigen Stasi-Zuarbeit ihres Landesvorsitzenden abgibt, hat aus dem Fall Brie längst einen Fall PDS gemacht. Wie Brie mit seiner erzwungenen Selbstenttarnung umgeht, ist furchtbar; wie die Partei darauf reagiert, aber ist der eigentliche Skandal. Selbst wenn man Brie persönliche Feigheit und die opportunistische Hoffnung, nicht entdeckt zu werden, als Erklärung für sein langes Schweigen zubilligt, ist die Vorstellung, die der einstige Erneuerer bietet, unerträglich. Immer noch hält es Brie nicht für nötig, sich mit dem Stasi- Erbe in der Partei auseinanderzusetzen. Ihm ist einzig daran gelegen, ob die PDS bereit ist, seine Verlogenheit zu entschuldigen.
Die sozialistischen Demokraten sorgen sich deswegen auch mehr darüber, daß der Zeitpunkt der Brieschen Selbstentlarvung vor dem heutigen Landesparteitag ein ungünstiger ist, als daß die SED- Vergangenheit nun mit Macht über sie kommt. Nur wenige PDS- Politiker interessiert offenbar, daß es für die Öffentlichkeit ein kleiner Unterschied ist, ob eine Partei mit Ehrlichkeit um die Bewältigung einer Vergangenheit ringt oder ob sie nur nach dem einfachsten Weg fahndet, aus einer peinlichen Klemme zu finden. Wenn die Haltbarkeitsdauer von Parteitagsbeschlüssen nur danach zu messen ist, wie weit die Personaldecke reicht, dann signalisiert eine Partei freilich, daß sie nicht mehr ernst genommen werden möchte. Genau dies aber ist der Fall, wenn nun wegen Brie der Beschluß auf der Strecke bleibt, daß Funktionäre ihre Stasi-Verstrickung offenlegen müssen. Deutlich ist darüber geworden, daß in der Partei nur wenige überhaupt bereit sind, Fragen zu stellen – und noch weniger GenossInnen Antworten erhalten möchten: Die Wahrheit will keiner wissen in dieser Partei. Unversehens ist die PDS deswegen wieder da angelangt, wo die SED aufhörte. Gerd Nowakowski
Siehe Bericht auf Seite 34
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