: Autotunnel als Notopfer für den Bund
■ Verkehrsverwaltung will Tunnel unter Regierungsviertel bezahlen, wenn Bonn Geld verweigert/ CDU: „Schlimm“
Berlin. Berlin will den vierspurigen Autotunnel unter dem Tiergarten bezahlen, wenn die Bundesregierung die Kosten nicht übernehmen will. Noch gebe es zwar „gewisse begründete Hoffnungen“, sagte Ingo Schmitt (CDU), Staatssekretär der Verkehrsverwaltung, gestern, „daß in Bonn in den nächsten Monaten ein Umschwenken möglich sein könnte“. Unabhängig von der Position der Bundesregierung sei aber eines klar, so der Staatssekretär in der gestrigen Sitzung des Verkehrsausschusses, „der Tunnel muß finanziert werden“. Der Verkehrsetat werde für diese Maßnahme ausreichen, wenn Berlin angesichts der angespannten Haushaltslage auch nur einen Rohbau finanzieren könnte. Die Kosten für das Provisorium, durch das kein Auto fahren könnte, schätzte Schmitt auf vage 180 Millionen Mark.
Die neueste Idee der Verkehrsverwaltung sorgte für Überraschung unter den Ausschußmitgliedern. Käthe Zillbach, verkehrspolitische Sprecherin der SPD, vergewisserte sich, daß die Finanzierung des Autotunnels nicht zu Lasten des Ausbaus des Öffentlichen Nahverkehrs gehen dürfe. Rainer Giesel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU, bezeichnete es als „schlimm“, wenn Berlin die Kosten für die Bauarbeiten, die sich insgesamt auf 600 Millionen Mark belaufen sollen, tragen müsse.
Aus Unterlagen, die der taz vorliegen, geht indirekt hervor, daß Berlin bis zum Jahr 2000 für den kommunalen Straßenbau knapp über eine Milliarde Mark zur Verfügung stehen. In diesem Betrag sind bereits Bundesmittel von über einer halben Milliarde Mark enthalten. Welche geplanten Straßenbauprojekte gestrichen werden müssen, wenn Berlin nun zusätzlich den Regierungstunnel zahlt, konnte Staatssekretär Schmitt gestern nicht absehen. Er habe die Zahlen für die Finanzplanung bis zum Jahr 2000 nicht im Kopf, sagte er der taz auf Nachfrage.
Neben der umstrittenen Parkplatz-Politik, dem Streit um eine Verbreiterung der Leipziger Straße und einem bislang fehlenden Straßenbahnkonzept droht nun auch noch die Auseinandersetzung um den Autotunnel den Koalitionsfrieden zu belasten. Der Tunnel ist neben der Oberbaumbrücke und einer neuen Straßenverbindung bei der Invalidenstraße das Schlüsselstück für einen geplanten Innenstadtring. Die SPD verzichte aber auf das millionenschwere Tunnelprojekt, wenn Bonn nicht zahlen wolle, sagte Zillbach der taz. Schließlich sei es die Bundesregierung, die keinen Durchgangsverkehr am Reichstag und im Spreebogen haben wolle. Nicht Berlin müsse dafür aufkommen, daß der Bund die Entlastungsstraße zukünftig nicht mehr haben wolle. Dirk Wildt
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