Darmausscheidungen im irischen Wahlkampf Von Ralf Sotscheck

Irland wird demnächst zum Schlaraffenland. Steuern? Ach was. Kürzungen im Gesundheitswesen? Keine Spur. Hohe Hypothekenzinsen? Nie und nimmer. Dafür aber schöne neue Sozialbauwohnungen, Abbau der Massenarbeitslosigkeit und Investitionen im Bildungsbereich. Die hohe Staatsverschuldung? Wer wird denn so kleinlich sein.

In Irland wird übermorgen gewählt, und die Politiker versprechen wie immer vor diesem Ereignis das Blaue vom Himmel. Was gestern noch unmöglich zu finanzieren war, ist heute eine Kleinigkeit. Doch Premierminister Albert Reynolds und seine Regierungspartei Fianna Fail haben die Rechnung diesmal ohne das Stimmvieh gemacht. Aus Meinungsumfragen erfuhr Albert – Politiker werden prinzipiell mit dem Vornamen angeredet, schließlich kennt man sie lange genug aus dem Fernsehen – aus erster Hand, daß er so populär ist wie ein Rottweiler ohne Maulkorb. Die Presse spricht bereits vom „Albert-Faktor“, der Fianna Fails Wahlchancen verdirbt. Der Premier gilt zu Recht als arrogant und rechthaberisch.

Seine Frau Kathleen will das nicht wahrhaben. Bei jedem Interview – und die Frauen der Spitzenkandidaten werden ständig auf ihre hausfraulichen Qualitäten überprüft – bricht sie in Tränen aus. „Der Mann, der da beschrieben wird, ist nicht derselbe, den ich seit 38 Jahren kenne“, schluchzt sie. Jekyll und Hide? Albert ist jedenfalls mit den Nerven fertig. In einem Interview mit dem irischen Radio RTE erklärte er, daß sein Minister für Soziales, Charlie McCreevy, alles dransetze, um das Sozialhilfesystem unmenschlicher zu machen. Der verwirrte Moderator wandte ein: „Sie meinen sicherlich, er will es menschlicher machen.“ Doch Albert ließ sich nicht beirren: „Genau, er will es unmenschlicher machen.“ Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Die Opposition gestand ihm umgehend zu, daß er zum ersten Mal während des Wahlkampfs die Wahrheit gesagt habe.

Bereits vor drei Wochen hatte Reynolds seinen Kritikern bescheinigt, daß sie „Scheiße reden, totale Scheiße“. In englisch: „Crap“. Den geschockten Zuschauern stockte der Atem, doch Kathleen Reynolds wiegelte ab: „In Longford, wo wir herkommen, ist das Wort völlig normal. Selbst Lehrer benutzen es in der Schule.“ Wenn sich aber jemand durch das Wort beleidigt fühlte, täte es Albert natürlich leid. Von Reue konnte bei Albert aber keine Rede sein. Als er in Kerry im tiefsten Südwesten der Insel herumfuhr, um die Landeier einzuwickeln, hielt er vor seinen Fans eine Rede. „Ich glaube nicht an Meinungsumfragen“, rief er, nachdem er laut letzter Umfrage gegenüber dem maulkorblosen Rottweiler weiter an Boden verloren hatte. „Wißt ihr, was die sind? Ein Haufen...“

„Scheiße“, brüllte die Gemeinde wie aus einem Mund. Nun mußte Kathleen schon wieder weinen, weil die Sonntagszeitungen prompt über den fluchenden Ehemann herfielen. Unter Tränen zitierte sie ihr Lexikon, in dem das Wort angeblich mit „Müll oder Unsinn“ umschrieben sei. Was hat sie bloß für ein Lexikon? In meinem steht recht eindeutig: „Vulgär für Darmausscheidung.“