: Rausch am oberen Limit
■ Bayer Leverkusen–Bayern München 2:4/ Glanzleistung des Tabellenführers, Traumtor von Lothar Matthäus
Leverkusen (taz) – Könnte es den Leverkusener Pharmazeuten gelingen, am 14. Spieltag der laufenden Saison die Bundesliga wieder in einen Spannungszustand zu versetzen? Sollten die Konzern- Kicker in der Lage sein, mit Toren weniger zu geizen als der Chemieriese mit Gewerbesteuerzahlungen an die Stadt Leverkusen? Müßte es nicht möglich sein, daß Bayer 04 gegen Bayern München nach den mageren Spielen gegen Dresden und Köln wieder ein Spiel gewinnt, um einen Schritt in Richtung Saisonziel zu tun? Dieses wurde von Manager Reiner Calmund vor dem Spiel so formuliert: „Die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb – ob als Meister, Pokalsieger oder am UEFA- Cup – ist für uns lebenswichtig.“
26.900 Zuschauer (Rekordbesuch in Leverkusen) bekamen die gestellten Fragen folgendermaßen beantwortet: Bayer 04 wird sich nach der gezeigten Leistung bestenfalls für eine Teilnahme am UEFA-Cup qualifizieren können. Bayern München steht mit drei Punkten an der Tabellenspitze und Leverkusen konnte zwei Tore erzielen. Das reichte aber nicht gegen den Rekordmeister.
Vielleicht wäre es anders gelaufen, wenn Andreas Thom in der 22. Minute nach einem Alleingang das 2:0 für die Chemiestädter erzielt hätte; aber er traf nicht das Tor, sondern Oliver Kreuzer, der mittels Fußabwehr seine Pläne durchkreuzte. Das Auslassen dieser Torchance wirkte auf die Leverkusener paralysierend. Für die Münchner dagegen wie ein Signal, daß Spiel langsam aber sicher in den Griff zu bekommen. Die Talcid- Werber konnten das 1:0 gegen die Opel-Agenten gerade noch in die Halbzeitpause retten; doch in der 59. Minute schlug der für fünf Millionen DM Ablösesumme von Leverkusen nach München gewechselte Bayern-Brasilianer Jorginho eine Zucker(hut)flanke vor Vollborns Tor, die Christian Ziege zum 1:1 ins Tor köpfte.
In der 70. Minute segelte der Ball dann nach einem Eckstoß von Mehmet Scholl an Freund und Feind vorbei, genau auf den rechten Fuß von Lothar Matthäus. Dieser verwandelte aus 25 Metern direkt à la Tor des Jahres zum 2:1 für Bayern. Schon lange vor dieser Führung hatten die Bayern ihr Mittelfeld kurz vor und in den Leverkusener Strafraum verlegt und die Abwehr der Gastgeber lief den rasend schnell kombinierenden Scholls, Mazinhos, Jorginhos, Labbadias und Co. meist hinterher.
Bayern-Coach „Sir“ Erich Ribbeck, in einen dunkelblauen Marine-Blazer gewandet, stellte nach dem Spiel zu recht fest, daß seine Mannschaft eine „Leistung am oberen Limit“ gezeigt hatte. Kontrahent Reinhard Saftig faßte es, trotz der DFB-Kampagne (Keine Macht den Doofen!) in die Worte: „Die Münchener haben sich in einen Rausch gespielt.“
Bayern-Libero Wouters (für den verletzten Olaf Thon) erhöhte in der 75. Minute nach einem Doppelpaß mit Bruno Labbadia auf 3:1 für München, Labbadia persönlich stellte in der 89. Minute den 4:2 Endstand her. Die Tatsache, daß Spieler aus allen drei Münchener Mannschaftsteilen zu den Torschützen gehörten, spiegelt die geschlossene wie flexible Leistung wider, die die Bayern an diesem Nachmittag im Rheinland boten. In der 88. Minute konnte Andreas Thom – als Helmer und Freunde selig schliefen – noch den Anschlußtreffer zum 2:3 für Leverkusen erzielen. Dies aber bedeutete nur eine Ergebniskorrektur. Bayern war an diesem Tag für Bayer unschlagbar. Leverkusens Trainer Reinhard Saftig meinte dazu: „Es wird schwer für alle anderen, die Bayern aufzuhalten.“
Noch stehen 21 Spieltage ins Haus. Die Frage bleibt: Wer stoppt die Bayern? Johannes Boddenberg
Bayern München: Aumann - Wouters - Kreuzer, Helmer - Jorginho, Schupp, Matthäus, Scholl (89. Schwabl), Ziege (76. Sternkopf) - Labbadia, Mazinho
Zuschauer: 26.900; Tore: 1:0 Scholz (11.), 1:1 Ziege (59.), 1:2 Matthäus (70.), 1:3 Wouters (75.), 2:3 Thom (88.), 2:4 Labbadia (89.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen