: Konferenz ohne Ozon-Alarmismus
Auf der internationalen Ozonkonferenz in Kopenhagen sind sich die Diplomaten über die Pflichtaufgaben einig/ Statt Alarmstimmung die Königinmutter mit Hut ■ Aus Kopenhagen Thomas Worm
Sie alle waren im Kopenhagener Bella-Center zur vierten Weltozonlochkonferenz erschienen: natürlich die Konferenzteilnehmer, dann die Königinmutter von Dänemark mit elegantem Hut und schließlich die Greenpeaceler, die mit einer kreischenden Ozonalarmsirene. Noch ehe zum Auftritt der Königin die Fagotts des „Danish Wind Oktet“ ihr (FCKW- freies) Kammerspiel anstimmten, machten mürrische Polizisten die Krachmacher mit den „schrillen Instrumenten“ dingfest. Kleiner Mißklang zum Konferenzauftakt.
In Kopenhagen muß zum Schutz des Ozonschilds nachgebessert werden. Dabei fällt es auch den Gutwilligsten keineswegs leicht, sich durch den Mischmasch von schädlichen Fluorchlor- sowie Bromchemikalien und den vielen Alternativorschlägen zu finden, die zur flexiblen Angleichung gedacht sind an das Montrealer Protokoll von 1987, der ersten Ozonlochkonferenz. Damals hatten 36 Staaten die sogenannte „Einfrier-20-30“-Vereinbarung unterzeichnet, die vorsah, die Produktionsmengen der fünf wichtigsten FCKW-Verbindungen auf den Stand von 1986 einzufrieren. Bis 1993 sollten dann um 20 Prozent und 1998 nochmals um 30 Prozent reduziert werden. Es war eine für die Unterzeichnerstaaten bindende Übereinkunft, die politisch bis dahin für undurchsetzbar galt. Zudem war im Montrealer „Protokoll über Substanzen, welche die Ozonschicht schädigen“ festgelegt, die Ausdünnung der Ozonschicht genau zu beobachten und nötigenfalls den Ausstieg aus der FCKW- Herstellung zu forcieren. Die Ozonkiller, deren Verweilzeit in der Atmosphäre 15, 50, 100 oder gar 500 Jahre beträgt, stiegen weiter auf und dünnten das vor UV- B-Strahlung schützende Ozon über der Antarktis zunehmend aus. Das UV-Licht ruft Hautkrebs hervor und tötet die kleinzellige Meeresflora ab. Alarmiert davon beschloß die Londoner Nachfolgekonferenz 1990, auf der mittlerweile 92 Nationen vertreten waren, ein totales Produktionsverbot für sämtliche Flourchlorkohlenwasserstoffe bis zum Jahr 2000. Den finanzschwachen Entwicklungsländern, deren Pro-Kopf-Verbrauch von FCKW – wie in China und Indien – etwa nur ein Dreißigstel von dem in EG und USA beträgt, wurde eine dreijährige Ausgleichshilfe in Höhe von 240 Millionen Dollar von den Industrieländern versprochen.
Diese Geldspritze für die industrielle FCKW-Perestroika gehört zu einem der vier Schwerpunkte der Konferenz in Kopenhagen. Großbritannien, Frankreich und auch die Bundesrepublik, fürs laufende Jahr, entpuppen sich als säumige Zahler und schulden dem Fonds zwischen fünf und zehn Millionen Dollar. Der zweite Punkt: Ob der 100-Prozent-Ausstieg aus den sogenannten HCFC (teilhalogeniert und nicht ganz so aggressiv) im Jahr 2010 erfolgt, oder nur zu 98 Prozent, wie die USA wegen ihrer Altlasten fordern, muß entschieden werden. Als Punkt 3 steht das Methylbromid, ein Ozonkiller ersten Ranges, auf der Agenda. Die Industrieländer wollen dessen Produktion erst 1995 auf dem Level von 1991 einfrieren. Die USA, die bisher den 100-Prozent-Ausstieg für 2000 anpeilten, verhalten sich still. Der Generalsekretär der UNO-Umweltorganisation UNEP, Mostafa Tolba, machte zur Eröffnung der Konferenz den Kompromißvorschlag, den Gebrauch des Pestizids bis zum Jahr 2000 wenigstens um ein Viertel zu verringern. „Die Zerstörung der Ozonschicht wird schlimmer, und auch die größten Anstrengungen können die Schäden nicht unmittelbar beheben.“ Tolba schlug außerdem die Auffüllung der Geldspritze für die Entwicklungsländer mit 500 Millionen Dollar zusätzlich für die Jahre 1994 bis 1996 vor.
Sicher schien schon zu Beginn der Konferenz der auf 1994 vorgezogene Totalverzicht auf Halone sowie der anderen FCKW bis Ende 1995. Ob dies ausreicht, damit die Konferenz einst als das Treffen der „großen alten Männer des Planktons“ in die Geschichte eingeht, steht in den Sternen.
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