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Da tobt der Tombifoso

■ Vor 15.000 erbosten Alberto-Tomba-Fans holte sich der Norweger Aamodt den ersten Weltcupsieg der Ski-Saison

Sestriere/Italien (dpa/taz) – Wenn es um Helden geht, verstehen die italienischen Sportfans bekanntlich keinen Spaß. Gänzlich humorlos werden die Tifosi jedoch, geht es um Idol Alberto Tomba. 15.000 Tombifosi waren zum Weltcup-Auftakt nach Sestriere gereist, ihren illustren Skistar die Piste runterzujubeln. Was auch fast gelang, denn Tomba raste in wahrhaftigem Höllentempo zu Tal. Einer jedoch war schneller als der beleibt-beliebte Skihase aus Italien: Kjetil-Andre Aamodt aus Norwegen. Der Super-G-Olympiasieger von Albertville siegte nicht nur, er deklassierte seine Konkurrenz geradezu. Zweimal sauste er in Bestzeit den Riesenslalom herunter und holte sich mit der Gesamtzeit von 1:48,34 Minuten 30.000 Dollar Siegprämie ab. Die Tombifosi buhten und pfiffen vor Enttäuschung, als ihr Alberto, Riesenslalom-Olympiasieger, nur Zweiter (1:48,81) wurde. Tomba: „Da kann man nichts machen.“ Aamodt hingegen, der in den vergangenen Jahren ständig von Verletzungen und Krankheiten gebremst war und sich vor diesem Winter erstmals richtig vorbereiten konnte, freute sich diebisch: „Es ist ein großes Ereignis für mich, Tomba in seinem Land zu schlagen.“

Ein großes Erfolgserlebnis durfte auch Tobias Barnerssoi vom SC Halblech feiern. Keiner hatte den 23jährigen Deutschen auf der Rechnung, als er in Windeseile die Tore passierte und mit 1:49:94 auf den vierten Platz rutschte. Nach dem ersten Durchgang war Barnerssoi noch Zwölfter gewesen. Im zweiten Lauf drehte der Student auf der Kandahar-Piste richtig auf und war in 54,25 Sekunden nur 1/100 Sekunde langsamer als Tomba. „Ich war vor dem Rennen wahnsinnig nervös. Ich bin froh, daß es so sensationell geklappt hat. „Genial“, freute sich der WM-Zehnte von 1991, der nach der verpaßten Olympia-Chance von Albertville schon ans Aufhören gedacht hatte.

Der Mann mit dem Ohrring ist ein Exot im Deutschen Ski-Verband. Er ist weder auf der Alm aufgewachsen, noch mußte er jeden Tag mit den Ski zur Schule. Außerdem spricht er hochdeutsch, und dies noch rethorisch geschliffen. Geboren wurde er in Eichstätt, wuchs in Karlsruhe auf und machte dort Abitur – mit einem Schnitt von 1,9. Warum er mit diesem Notenschnitt Zollbeamter in Pfronten wurde, weiß so recht niemand. Ganz auszufüllen scheint ihn der Job nicht: Er studiert nebenbei Deutsche Literatur und spricht fließend Französisch.

Das Geheimnis seines Erfolges: Er studiert vor dem Rennen ein Video mit hervorragenden Läufen und hört dazu Musik von den Guns N'Roses.

Auf die Bestätigung von Sestriere hat Barnerssoi lange warten müssen. Nach einem Kreuzbandriß vor drei Jahren wollte er schon aufhören. Später fuhr er immer mal wieder im ersten Durchgang nach vorne, verspielte aber alles im zweiten Lauf. 1991 überraschte er bei der Weltmeisterschaft mit einem zehnten Platz. Doch dann verpaßte er knapp die Olympia-Qualifikation. „Da war ich stinksauer. Ich war bester Deutscher der Riesenslalom-Rangliste und der einzige, der wirklich Böcke auf diese Disziplin hatte“, schimpft er noch heute.

Für Geburtstagskind Armin Bittner war der Weltcupauftakt von Sestriere hingegen enttäuschend. Der Slalom-Spezialist aus Krün, der am Samstag 28 Jahre alt wurde, qualifizierte sich mit einer Zeit von 57:95 Sekunden ebenso wie Nachwuchsläufer Herbert Ringsgwandl (Ruhpolding/40. Platz/56.72) nicht für den zweiten Durchgang und wurde 62. „Ich hatte keine Zeit zum Riesenslalom-Training. Außerdem war das das extremste Rennen, das ich bisher gefahren bin. Die anderen Jungs sind einfach zu stark“, mußte Bittner eingestehen, der sich allerdings aufgrund einer schweren Knieverletzung im Sommer nicht viel ausgerechnet hatte. Daß Bittner in dieser Saison alleine trainiert, sieht Senkrechtstarter Barnerssoi als Vorteil. „Alle haben nur auf Armin geschaut. Wir konnten uns in seinem Schatten vorbereiten“, meinte er und schrieb auch dem neuen DSV-Trainer Sepp Hanser einen Teil seines Erfolgs zu: „Er hat mich positiv überrascht und schon viel beigebracht.“

Weltcup Riesenslalom Damen, Park City/ Utah: 1. Ulrike Maier (A) 2:21,87 Minuten; 2. Carole Merle (F) 0,23 Sekunden zurück; 3. Vreni Schneider (Ch) 0,50; 4. Pernilla Wiberg (S) 0,56; 5. Anita Wachter (A) 0,74; 6. Merete Fjeldavli (Nor) 0,78; 7. Heidi Zeller (Ch) 0,88; ... 10. Michaela Gerg (BRD).

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