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Der Papst gewinnt Einsicht

■ „Der Papst und die Hexe“ – Das neue Stück von Dario Fo in deutscher Erstaufführung im Grips Theater

Dario Fos neuestes Stück „Der Papst und die Hexe“ hat nebst einer Hexe im Nonnengewande und Papst die knöchernen Untertanen zu seinen Helden: der Katholizismus ist ein zuverlässiger Garant für eine Farce à la Fo, besonders im katholischen Italien – und unter erschwerten Bedingungen in Berlin.

Drei Jahre nach der Uraufführung in Novara übernahm nun das Grips Theater die deutschsprachige Erstaufführung. Die erfrischende Bearbeitung der Übersetzung und manche Kürzungen gerieten dabei zum Wohle des Textes. Unter der Regie von Wolfgang Kolneder wurden auch Abstriche gemacht, was die konkreten Anspielungen auf die Untaten des Vatikans betrifft, auf die Skandale und Skandälchen der letzten Jahre und Jahrzehnte – wie der seltsame Niedergang der „Banco Ambrosiano“, die personellen Verwicklungen im Finanzwesen und der Freimaurerloge „P2“. Nur die mittlerweile etwas verrostete Noriega- Affäre beließ man. Dafür wurde Joseph Ratzinger als neue Figur eingeführt, im kardinalsfarbenen Hundepelz.

Die italienbezogenen Anspielungen ersetzte der Regisseur durch – teils nur mäßig gelungene – Anekdoten mit Lokalkolorit. So ereilt den Papst bei der Erwähnung von Eugen Drewermann der Hexenschuß. Wo man auf die italianitá von Fos Stücken verzichtete, verlieren sie meist. Manche Hinweise auf die handfesten Skandale würden dem Thema viel Beliebigkeit nehmen, die Zeitumstände dazu hätte man im Programmheft kurz erklären können.

Dario Fo ist Dario Fo ist Dario Fo, wie man weiß, mit all seinen Stärken und Schwächen. Da wird nicht das Thema der Hexe als schillerndes Wesen mit zauberhaften Verführungskünsten phantasievoll ausgebaut, sondern da werden mit Witz und (leider auch) Moral die sozialen Mißstände angeprangert – der Papst ist der Böse, die Gesellschaft die Gute. Alles versteht sich natürlich als Groteske, daraus bezieht die übertriebene Zuspitzung ihre Komik und Rechtfertigung.

Auf dem Petersplatz haben sich Journalisten und Tausende von Kindern aus der „Dritten Welt“ zum Protest versammelt. (Mauerschau – man stelle sich vor.) Das schön sparsame Bühnenbild von Mathias Fischer-Dieskau läßt den Papst, die Kardinäle und Nonnen aus dem angedeuteten schrägstehenden Palast – im Vatikan hängt schließlich mehr als der bloße Haussegen schief – in einen weiten, leeren Horizont blicken, nur ein kleiner, ferner Obelisk vertritt die Stadt und den Platz.

Als die Kinderchen nicht länger auf das versprochene Erscheinen des Vertreters Gottes auf Erden warten wollen und den Palast stürmen, greift der infantile Papst in Erinnerung an Indianerspiele zu Pfeil und Bogen und schießt die hungernden Geschöpfe kurzerhand ab. Schließlich leidet er an Verfolgungswahn, ohrfeigt in gestauter Wut sein Konterfei, eine Stoffpuppe – bis ihn Arzt und Hexe das rechte Handeln lehren.

Umgeben ist er von Heuchlern und Betrügern, die für ihre dunklen Geschäfte Mobiltelefone bei sich tragen, im Sack am Sack, weswegen die hervorstehenden Antennen einen obszönen Anblick ergeben. Einer der guten Inszenierungseinfälle, der jedoch zu breit ausgespielt wird. Durch die Wiederholung verliert der Witz seinen Witz, wie schon bei Freud nachzulesen ist.

Die Berliner Inszenierung krankt an den Berliner Umständen: fern sind die katholischen großen Intrigen und kleinen Gesten – dementsprechend zäh wirken die Szenen im Vatikan. Nah hingegen sind hier die sozialen Mißstände, die Drogenkranken und Alkoholabhängigen. Im zweiten Teil, wo der Papst zum Fixer wird und die Handlung des Stücks platter, wo einiges vom Fo'schen Sozialkitsch durchschimmert, geriet die Inszenierung dafür um so flotter.

Der Papst in kecken roten Schuhen und blauen Strandsandalen (Kostüme: Petra Kray) ist mit Dietrich Lehmann gut besetzt, ebenso Christian Veit als geschniegelter Professor Landolfi. In Motorik und Stimmlage auffallend überzeugend schlüpft Christian Giese in die Rolle des mit der Papst- Nachfolge kokettierenden Kardinals. Allzu wichtig nimmt sich Stefan Gossler nicht nur auf Kardinalspfaden, sondern auch auf der Bühne, während Volker Keller einen unscheinbar unterwürfigen Pressechef des Papstes abgibt – ganz im Gegensatz zum kürzlich neu besetzten Original. Adelheid Kleineidam wirkt authentisch als beflissene Schwester, Anja Lais als Hexe verleiht der Aufführung schöne Momente, hätte aber an manchen Stellen – wie dem Märchen von den Bohnen, aus denen blauäugige Kinder erwachsen oder ihrer Herkunftsgeschichte – dem Stück noch mehr konzentrierte magische Stimmung abgewinnen können.

Das neue Fo-Stück ist eine scharfe Abrechnung mit dem Katholizismus, die dort heftig wirkt, wo der Alltag katholisch geprägt ist. Der Inszenierung in Berlin fehlt dieser umgebungsbedingte Zündstoff, sie kommt daher um manche Längen nicht herum und muß vor allem auf die Wirkung von Gags und Karikatur bauen. Dies tut sie weidlich, die Mischung: Fo + Grips ergibt einen Adventabend, wie man ihn sich vorstellen kann, mit Witz, Moral und Kritik, wo alle Beschaulichkeit fehlt. Margit Knapp Cazzola

„Der Papst und die Hexe“ von Dario Fo. Regie: Wolfgang Kolneder, mit Dietrich Lehmann, Anja Lais, Christian Veit, Christian Giese. Nächste Aufführungen am 18., 19., 20.Dezember.

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