: Experten und Baumproben
■ Tritium in Kastanien, Krümel in den Köpfen: drei Untersuchungen, weitere gefordert
in Kastanien, Krümel in den Köpfen: drei Untersuchungen, weitere gefordert
Während die Umweltorganisation Robin Wood weiterhin die Zufahrt zum AKW Krümmel blockiert, tobt unter den Experten, die die Ursachen für die gehäuften Leukämieerkrankungen in der Umgebung des Atommeilers aufklären sollen, ein erbitterter Streit. Der Grund: die Untersuchung von Baumscheiben aus der Elbmarsch. Gleich drei Institute haben in den letzten Wochen mit unterschiedlichen Methoden Kastanien- und Eichen-Baumscheiben aus der Umgebung von Krümmel auf radioaktives Tritium untersucht. Nur eins ist inzwischen klar: Die Baumscheiben enthalten Tritium.
Zu diesem Ergebnis war Inge Schmitz-Feuerhake von der Bremer Uni bereits vor einigen Wochen gekommen. Für Verwirrung sorgte dann jedoch die Kieler „Klinik für Nuklearmedizin“. Dort hatte man sich die in Bremen untersuchten Baumscheiben kommen lassen und erneut gemessen. Und obwohl die Kieler von sich behaupten, ein 20fach sensibleres Meßverfahren angewandt zu haben, wurde keinerlei Radioaktivität festgestellt. Anlaß genug, die Bremer Ergebnisse als „voreilig“ zu diskreditieren. Hamburgs Umweltsenator Fritz Vahrenholt sprach sogar von „Schwarzer Magie“. Eine dritte Untersuchung wurde nötig. Die erfolgte an der Göttinger Uni, durchgeführt von Dietrich Harder, der nebenberuflich in der Strahlenschutzkommission (SSK) als Berater des Bonner Umweltministers Klaus Töpfer tätig ist.
Harders Ergebnisse: In der Kastanienprobe fand er 225 Becquerel Tritium pro Kilogramm, in der Eiche sogar 387 Becquerel. Doch für den Töpfer-Berater sind diese Werte nicht „signifikant“. Der Grund: Harder hat bei seinem Meßverfahren einen riesigen Fehlerspielraum, der beispielsweise bei der Kastanie bei plus/minus 167 Becquerel liegt.
Harders Bewertung stößt nun in Bremen auf heftigen Widerspruch. Inge Schmitz-Feuerhake: „Die erhöhten Tritiumwerte in Baumproben aus der Elbmarsch sprechen eher für als gegen einen Störfall im AKW Krümmel.“ Denn immerhin weisen die Eichenwerte dreimal mehr Tritium auf als im Normalfall, und bei der Kastanienprobe beträgt der Unterschied sogar das 200fache.
Daß diese erhöhten Werte auf Krümmel zurückzuführen sind, ist für Schmitz-Feuerhake „klar feststellbar.“ Sie vermutet einen Störfall, bei dem gasförmige Spaltprodukte freigeworden sind. Diese haben sich aufgrund der radioaktiven Halbwertzeiten inzwischen verflüchtigt. Geblieben ist das Tritium, das sich erheblich langsamer abbaut.
Otmar Wassermann, Leiter der schleswig-holsteinischen Leukämie- Kommission, geht ebenfalls davon aus, daß die Atomanlagen immer noch in „Verdacht stehen“. „Verwundert“ ist er, weil das Göttinger Institut eine Baumprobe, in der nach bisherigen Erkenntnissen noch deutlich mehr Tritium enthalten sein muß, noch gar nicht untersucht habe. Er fordert nun weitere Untersuchungen. Indessen ist für Robin Wood die Abschaltung des AKWs unumgänglich.
Ob der Kieler Energieminister Günther Jansen, der die Blockierer am kommenden Montag eventuell besuchen will, und Bundesumweltminister Töpfer dieser Aufforderung nachkommen werden, bleibt offen. Dirk Seifert
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