: Ehepartner arbeitslos?
■ Nach BVG-Urteil müßte die Bedürftigkeit geprüft werden / Bremen zieht vorerst keine Konsequenzen
Hans-Lüder Pols ist Abschnittsleiter der Leistungsabteilung beim Arbeitsamt. Die taz sprach mit ihm über die Konsequenzen des „Partner“-Urteils des Bundesverfassungsgerichtes.
taz: Herr Pols, daß Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß die Berücksichtigung von Einkommen der Ehe- oder Lebenspartner eines Antragstellers für die Berechnung von Arbeitslosenhilfe verfassungswidrig ist. Haben Sie diese Entscheidung in Bremen schon umgesetzt?
Hans-Lüder Pohls: Wir haben das noch nicht umgesetzt, die Entscheidung liegt uns auch noch nicht vor. Wir haben aber mittlerweile eine Weisung unserer vorgesetzten Dienststelle, des Bundesministers für Arbeit, vorliegen.
Wie sieht die aus?
Es geht darum, daß das Bundesverfassungsgericht in der Urteilsbegründung die Bundesanstalt für Arbeit verpflichtet hat, bis zu einer gesetzlichen Neuregelung die Einkommensanrechnung in Form einer individuellen Bedürftigkeitsprüfung vorzunehmen. Es geht letztlich um die Sätze, die im Arbeitsförderungsgesetz genannt werden: Derzeit 150 Mark als Freibetrag für den Ehegatten und 70 Mark für weitere Angehörige. Diese Sätze passen nicht mehr in die heutige Zeit. Bis zur gesetzlichen Neuregelung sind wir gehalten, zunächst weitere Weisungn abzuwarten, welche Freibeträge zugrunde zu legen sind, dürfen aber auf dem Weg der vorschußweisen Gewährung unter Berücksichtigung der alten Sätze Arbeitslosenhilfe auszahlen.
Das heißt im Klartext: Es gibt einen Ist-Zustand, den das höchste Gericht verfassungswidrig nennt. Dieser verfassungswidrige Zusatand wird aber nur aufgehoben, wenn das Arbeitsamt die Bedürftigkeit anerkannt hat? Ist das so?
Ja, zur Zeit ist das so.
Ist das nicht paradox? Entweder gibt es eine verfassungsgemäße Berechnungsgrundlage oder nicht.
Wir sagen nicht, daß das in Ordnung ist. Wir sagen nur: Wir warten bis zur gesetzlichen Neuregelung, und das ist das, was das Bundesverfassungsgericht gefordert hat. Der Gesetzgeber hatdiese Neuregelung noch nicht durchgeführt. Und deshlab fehlt uns derzeit auch einerechtliche Handhabe, eine Einkommensprüfung vorzunehmen, wie immer die auch aussehen wird. Gleichzeitug geht es darum, Antragsteller nicht einfach nur zu vertrösten. Deshalb hat die Bundesanstalt zugelassen, daß wir weiter nach bisher gültigen Sätzen auszahlen.
Wieviel Antragsteller sind davon betroffen?
Das kann ich nur vorsichtig schätzen. Wir haben zur Zeit 20.000 Leistungsempfänger, davon etw 8.000 Arbeitslosenhilfe- Empfänger. Es werden, vorsichtig geschätzt, etwa 1.000 sein. Aber wohlbemerkt: Das sind die, die es betrifft, nicht die, die davon profitieren.
Was müssen Bezieher von Arbeits losenhilfe tun, um zu erfahren, ob sie künftig besser dastehen?
Die Arbeitsämter bekommen von der Zentralstelle in Nürnberg eine Liste von den Beziehern, bei denen das Einkommen der Partner berücksichtigt wurde. Diese Listen werden von uns überprüft und angepaßt. Es ist nicht zwingend ein Antrag erforderlich. Wir werden von Amts wegen tätig. Unabhängig davon kann natürlich jeder einen Antrag auf Überprüfung stellen. Wir werden allerdings diejenigen nicht erreichen, deren Antrag auf Arbeitslosenhilfe aufgrund des Einkommens des Partners ganz abgelehnt worden ist. In diesen Fällen sollte sofort eine erneute Antragstellung erfolgen. Wieviel sind das etwa?
Weit weniger als die zu überprüfenden Fälle. Ich schätze etwa 15 Prozent. Fragen: mad
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