piwik no script img

Neonazis ängstigen ein Dorf

■ Überfall auf Faschingsball forderte zehn Verletzte

Jettingen-Scheppach (taz) – Monatelang hatten die Mitglieder der beiden Vereine in der 230-Seelen-Gemeinde Schönenberg, einem Ortssteil von Jettingen- Scheppach im Landkreis Günzburg, für ihren Faschingsball im Dorfgasthof trainiert. Das Männerballett sollte ein Höhepunkt des Festes am vorvergangenen Sonntag werden. Doch gerade bei diesem Auftritt kam es zu einer überfallartigen Massenschlägerei. Zehn Männer, Rechtsradikale meist aus Augsburg, riefen Nazi- Parolen und schlugen ohne Vorwarnung auf die etwa 60 Gäste ein. Mindestens zehn Anwesende, darunter auch einige Frauen, wurden durch Handkantenschläge und Fußtritte zum Teil erheblich verletzt. Einige Männer mußten sich im Krankenhaus behandeln lassen. Nach Augenzeugenberichten kam es auch zwischen den rechtsextremen Schlägern und der zu Hilfe gerufenen Polizei noch zu einem Handgemenge.

Die Polizei ermittelte zunächst nur wegen einer „normalen“ Massenschlägerei, die Randalierer wurden nach Feststellung der Personalien wieder freigelassen. Augenzeugen berichteten, sie hätten die beiden Beamten unverzüglich darauf aufmerksam gemacht, daß die Neonazis durch „Sieg Heil“- und „Heil Hitler“-Rufe aufgefallen sind. Einige der Schläger sollen auch „Wir sind Hitlers Garde“ gerufen haben. Auf einem Amateurvideofilm sind diese Rufe deutlich zu hören. Die Polizei hat diesen Film inzwischen ausgewertet und die Staatsschutzabteilung der Augsburger Kripo in die Ermittlungen eingeschaltet.

Im Ort selbst geht derweil die Angst um. Selbst stämmige Mannsbilder sagen offen, sie würden neue Überfälle fürchten. Reportern gegenüber will sich niemand äußern, weil man die Rache der Neonazis fürchtet. Ein 30jähriger Schönenberger: „Sie können sich diese Brutalität nicht vorstellen. Ich hab schon einige Schlägereien erlebt, aber sowas hab ich noch nie gesehen, nicht mal im Film.“ Bürgermeister Peter Ploeckl sagt, mehrere Anwesende hätten beteuert, daß „diese Leute eindeutig trainierte Kampftechniken angewandt“ hätten. In einer Krisensitzung des Gemeinderates hieß es, es dürfe einfach nicht sein, daß braune Schlägertrupps in einer Gemeinde für Schrecken sorgen. Klaus Wittmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen