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Die GUS vor der Spaltung

■ Drei von zehn Mitgliedsstaaten der „Nachfolgeorganisation“ der UdSSR wollen neues Statut nicht unterzeichnen/ Debatte über „Mitgliedsstufen“

Minsk (AP/afp/taz) – „Die GUS hat jetzt zwei Geschwindigkeiten, zwei Naturen“. Mit diesen Worten reagierte der Vorsitzende der ukrainischen Parlamentskommission für Außenpolitik, Dmitro Pawlyczeko, auf die Unterzeichnung eines Statuts, das die Staaten der „Nachfolgeorganisation“ der UdSSR am gestrigen Freitag in Minsk unterzeichneten. Tatsächlich vollzog sich in der weißrussischen Hauptstadt jedoch wohl die seit langem erwartete Spaltung des Staatenbundes. Denn während sieben der zehn Mitglieder sich ohne längere Diskussionen auf die GUS-„Charta“ einigen konnten, verweigerten neben der Ukraine auch Turkmenistan und Moldova ihre Zustimmung.

In dem Statut werden den Organen der GUS mehr Befugnisse eingeräumt. Geschaffen werden soll eine gemeinsame Zentralbank, die den Handel und den Geldverkehr im GUS-Wirtschaftsraum koordinieren und kontrollieren wird. Beibehalten werden soll auch der Rubel als gemeinsame Währung, den einzelnen Staaten wird aber nicht untersagt, eigene Währungen einzuführen.

Gerade an der Zentralbank machte sich jedoch die Kritik der Charta-Gegner fest. Da Rußland in ihr 50 Prozent der Stimmrechte zugestanden werden sollen, befürchten neben der Ukraine, Turkmenistan und Moldova auch Usbekistan die erneute Abhängigkeit von Moskau. Die „Überordnung Rußland über die anderen Staaten“ entspreche nicht dem Gedanken von Alma Ata – in der kasachischen Hauptstadt hatten die ehemaligen Republiken der Sowjetunion im Dezember 1991 die GUS gegründet. Der ukrainische Präsident Leonid Krawtschuk signalisierte zwar seine Bereitschaft eine allgemeine Erklärung über die weitere Zusammenarbeit zu unterzeichnen. Den von Rußland eingebrachten Entwurf, der nach ukrainischen Angaben die GUS in eine „Föderation nach dem Vorbild der UdSSR“ verwandle, lehnte Krawtschuk jedoch ab.

Vor allem der russische Präsident Boris Jelzin hatte sich in den letzten Wochen wiederholt für den GUS-Vertrag stark gemacht. Nachdem die fünf zentralasiatischen Republiken Anfang Januar in Taschkent ein engeres Bündnis eingegangen waren, könne es nicht zugelassen werden, daß diese Staaten von der Gemeinschaft „abdriften“. Immer wieder betont hatte Jelzin jedoch auch, daß er sich eine GUS ohne die Ukraine nicht vorstellen könne.

Mit dem Versuch, eines der wichtigsten GUS-Länder für die Gemeinschaft zu „retten“, ist auch ein „Kompromißvorschlag“ Jelzins zu erklären, den dieser am gestrigen Vormittag nach den ersten Unmutsäußerungen der drei Abweichler einbrachte. Dabei sprach auch er von unterschiedlichen Formen der Mitgliedschaft, innerhalb der GUS könne es neben der Vollmitgliedschaft auch assoziierte Mitglieder und Beobachter geben.

Ein Vorschlag, der zumindest unter den zentralasiatischen Staaten Anhänger finden dürfte. Denn bereits in den vergangenen Wochen hatte unter anderem der kirgisische Präsident Askar Akajew von der Bildung eines „GUS- Kerns“ gesprochen, um den herum sich die anderen Republiken je nach Interesse formieren könnten.

Der Ukraine scheint jedoch auch die „weiche Form“ des Statuts nur als ein weiterer Trick Jelzins, die russischen Vorstellungen zu verwiklichen, zu interpretieren. Als in der ukrainischen Delegation bekannt wurde, daß Jelzin auch von den Nicht-Vollmitgliedern verlange, daß sie die Grundsätze des GUS-Statuts bestätigen, quittierte sie diese Forderung mit lautem Gelächter.

Weitere Tagesordnungspunkte des Gipfels waren vor allem Fragen der Verteidigung, bereits am Donnerstag hatten sich die Ukraine und Rußland nicht über die Form des Abbaus und der Kontrolle ihrer Nuklaerwaffen einigen können. Außerdem werden die Staatschefs über den Rechtsstatus der GUS, ihre vordringlichen Aufgaben und den Krieg in Tadschikistan sprechen. her

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