: Opposition: Rücktritts-Quartett ohne vier
■ Mietenstopp 1987: Voscherau, Wagner, Curilla und Granzow wollen im Amt bleiben / CDU kündigt Mißtrauensvotum an
Voscherau, Wagner, Curilla und Granzow wollen im Amt bleiben / CDU kündigt Mißtrauensvotum an
Voscherau raus, Wagner raus, Curilla raus, Granzow raus. Wenn es nach der Meinung von CDU und FDP ginge, dann müßten Senatschef, Bausenator, Finanzsenator und Rechnungshofpräsident zurücktreten. Begründung: Regierungskriminalität in Tateinheit mit Gesetzesbruch, Unfähigkeit und Bruch des demokratischen Ehrenkodexes. Räumen die Herren nicht freiwillig ihren Stuhl, will die Union am 10. Februar in der Bürgerschaft einen Mißtrauensantrag stellen.
Die Begründungen für die einzelnen Rücktrittsforderungen unterscheiden sich, gehen jedoch alle auf einen Senatsbeschluß aus dem April 1987 zurück, mit dem der damals amtierende SPD-Minderheitssenat wenige Wochen vor der Bürgerschaftswahl eine geplante Mieterhöhung für rund 6000 städtische Wohnungen stoppte, ohne die Bürgerschaft damit zu befassen. Ein halbes Jahr nach der für die SPD erfolgreichen Wahl wurden die Mieten dann doch erhöht.
Den zeitweiligen Mietenstopp hatte der Rechnungshof in den darauffolgenden Jahren mehrfach als Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung gerügt, allerdings nicht öffentlich. In den schriftlichen Rügen stellte sich der Rechnungshof auf den Standpunkt, daß der Senat laut Haushaltsordnung zur Mieterhöhung verpflichtet gewesen sei, da ein dringendes staatliches Interesse an einem Verzicht nicht vorgelegen habe. Die Briefe des Rechnungshofes machten am Donnerstag Mitglieder des Saga-Untersuchungsausschusses bekannt.
Und damit sind wir auch schon bei Rücktrittsforderung Nummer eins. Nach Ansicht des CDU-Landesvorsitzenden Dirk Fischer muß Rechnungshofchef Hermann Granzow sein Amt zur Verfügung stellen, weil er erstens nach seinem Amtsantritt im März 92 die Rechnungshofrügen nicht der Bürgerschaft mitgeteilt hat. Zweitens weil er als Schulstaatsrat 1987 selbst Mitglied des Senats war.
Rücktrittsforderung Nummer zwei stammt von FDP-Chef Robert Vogel und richtet sich gegen Finanzsenator Wolfgang Curilla. Das dienstälteste Senatsmitglied soll gehen, weil auch er 1987 der Stadtregierung angehörte und damit Verantwortung für den von Vogel als „illegalen Wählerfang auf Kosten der Steuerzahler“ gewerteten Mietenbeschluß trage.
Das gleiche gilt für Bausenator Eugen Wagner, der den Mietenstopp 1987 vorgeschlagen und durchgesetzt hatte. Für CDU-Fraktionschef Rolf Kruse eine Entscheidung, die gleichbedeutend sei mit „Sozialbetrug an der Gemeinschaft“. CDU-Chef Fischer wirft Wagner außerdem Unfähigkeit vor, eine Meinung, die auch die beiden anderen Oppositionsparteien teilen.
Bleibt Henning Voscherau, 1987 nicht Senatsmitglied, sondern SPD- Fraktionschef und dem deshalb ein Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung nicht vorgeworfen werden kann. Er soll aus Gründen der politischen Moral zurücktreten, da er in das Vorhaben des damaligen Senats eingeweiht gewesen sei und somit ebenfalls Verantwortung für „Mietenschwindel“ und „Wählerkauf“ trage, den die SPD 1987 inszeniert habe. Auch Voscheraus Ziel sei damals nicht der Schutz der Mieter, sondern ausschließlich Machtsicherung gewesen. Für Rolf Kruse ein Verstoß gegen den „demokratischen Ehrenkodex“, da die anderen Parteien keine vergleichbaren Möglichkeiten der Wählerwerbung gehabt hätten.
Voscherau, Wagner, Curilla und Granzow ließen über ihre jeweiligen Pressesprecher gestern in äußerst lapidaren Worten verlauten, was sie von dem Rücktritts-Quartett halten: Nichts.
Die GAL muß das geahnt haben. Sie teilt zwar die Kritik ihrer Oppositionskollegen im Wesentlichen („Regierungskriminalität“, „Rechtsbruch“), schloß sich den Rücktrittsforderungen aber nicht an. Sie seien, so Fraktionschefin Krista Sager, „ziemlich aus der Hüfte geschossen.“ Warten auf weitere Erkenntnisse, die der Saga-Untersuchungsausschuß gewinnt, lautet die nach den harten GAL-Attacken der vergangenen Tage doch etwas überraschende Devise. uex
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