: Welches Kalb wäre nicht gern als altes Rindvieh gestorben?
■ betr.: "Wie Miezen zu Genotten werden", taz vom 22.1.93
betr.: „Wie Miezen zu Genotten werden“, taz vom 22.1.93
Die Kampfparole hat bereits vor Jahren gezeigt – und die Gegenwart beweist es leider immer häufiger –, daß ohne Überlegung zur Attacke geblasen wurde. Denn hätte man überlegt, bevor man die Parole ausgegeben hätte, dann hätte man sich sicher Gedanken darüber machen müssen, aus welchem Grundstoff Polyacryl hergestellt wird und in welchem Produktionsverfahren. Der Grundstoff des Polyacryl ist Rohöl – ein nicht reproduzierbarer Rohstoff, bei dessen Transport infolge von Tankerunglücken bisher Zigmillionen Tiere (Vögel, Fische etc.) elend eingegangen sind. Die Belastung von Luft und Wasser bei der Herstellung dieser Faser soll auch nicht unerwähnt bleiben. Bei der Frage der Entsorgung dieser synthetischen Stoffe raufen sich die Naturschützer ohnehin die Haare.
Verteidigen müssen sich allerdings heute nicht nur die Trägerinnen von synthetischen Stoffen, sondern auch zum Beispiel von Seide; denn man kann nicht behaupten, daß die Seidenraupe aus Altersgründen aus dem Leben scheidet oder daß sie human getötet wird. Darauf einzugehen, was an Chemie in der textilen Bekleidung steckt (auch in Baumwolle, zum Beispiel Pestizide), würde hier zu weit führen.
Die Lederjackenträger sollten im übrigen daran denken, daß diese Häute auch nicht auf den Bäumen wachsen und Spraydosen das Ozonloch mitverursacht haben. In das Umerziehungslager müßten nicht nur die Träger von Lederbekleidung und -schuhen, sondern auch die Verwerter von Fleisch, Fisch und anderen Meeresfrüchten. Welches Kalb wäre nicht gern als altes Rindvieh gestorben oder welches Lamm nicht gern als alter Bock oder welches Reh nicht gern als Zwölfender? Umzuerziehen wären auch die Biedermänner, die Vögel (als Inbegriff der Freiheit) allein in kleinen Käfigen halten, wo sie nur noch von Sprosse zu Sprosse springen können, oder die Amazonasfische in kleinen, wohnzimmergerechten Aquarien halten, wo sie sich Tag für Tag nur noch im engen Kreis bewegen können. Von denen gar nicht zu reden, die Haustiere generell nicht artgerecht halten (von Hund und Katze angefangen bis zu Schildkröten und Meerschweinen). [...]
Nun zum eigentlichen Thema: Sie werden weder im Winterschlußverkauf noch in der übrigen Zeit in Berlin und Umgebung in Pelzfachgeschäften Genottenjacken, Blacktailblazer und Karakulkapuzen antreffen; auch keine Pelze aus Chinchilette oder Marmotta. Im übrigen werden Sie das Fell der Hauskatze eher in Sanitätsgeschäften finden, die das Fell als Mittel gegen Rheuma anbieten.
[...] Zwei Sätze haben leider in Ihrem Artikel gefehlt, und zwar der Hinweis, daß ausländische Bezeichnungen zwar im internationalen Handel (Im- und Export) üblich sind, jedoch nicht im Fachhandel, und daß es RAL-Bezeichnungsvorschriften für Felle und Pelze gibt, die im Interesse eines lauteren Wettbewerbs und zum Schutz der Verbraucher eine warenehrliche Bezeichnung sichern sollen. Das, was der Tierschutzverein Berlin herausgegeben hat, trägt erst recht zur Täuschung der Verbraucher bei – das war auch sicher die Absicht der Pelzgegner. Dr.Bert Knoop, Zentralver-
band des Kürschnerhandwerks,
Bad Homburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen