Demokratie ist, wenn die Kamera läuft

■ Die EG-Außenminister tagten erstmals live im TV

Berlin (taz/AFP/dpa) – Acht Jahre nachdem Glasnost in Moskau ihre internationale Karriere begann, hat gestern die Europäische Gemeinschaft ihrerseits ein bißchen mehr Transparenz eingeführt. Das Ereignis fand – wo sonst – im Fernsehen statt: Zwölf AußenministerInnen diskutierten zwei Stunden lang vor laufenden Kameras und nutzten die Gelegenheit, ihre hehren Absichten vorzutragen. Der Mann aus Bonn, Klaus Kinkel, wünschte sich eine Annäherung an Mittelosteuropa. Der aus Kopenhagen, Niels Helvig Petersen, versprach eine „Wachstumsinitiative“ für die darbende europäische Wirtschaft. Und die Frau aus Paris, Europaministerin Elizabeth Gigou, warnte davor, daß sich einzelne Mitgliedsländer gegenseitig Konkurrenz machen.

Den Einblick in die Ministerrunde verdanken die Europäer dem Protestverhalten von Dänen und Franzosen. Seit die Maastrichter Verträge beim Referendum in Frankreich beinahe und in Dänemark knapp durchgefallen waren, setzen die zwölf Regierungschefs auf Aufklärung.

Das Spektakel wurde live übertragen, hatte aber angesichts der ungünstigen Sendezeit – 10 bis 12 Uhr – nur mittelmäßige Einschaltquoten. Heikle Themen sprach kein Teilnehmer an. Trotzdem überzog ein Redner nach dem anderen die Zeit – bis der amtierende dänische Ratspräsident Petersen sie „wegen der Sendezeit“ zur Ordnung rief.

Nach dem Abzug der Kameras standen Gespräche mit der israelischen Regierung über das Schicksal der deportierten Palästinenser auf dem Programm des EG-Außenministerrats. Ebenfalls unter Ausschluß der Öffentlichkeit liefen eine Debatte über Sanktionen gegen Serbien und die Detailverhandlungen mit den drei Anwerberinnen auf EG-Mitgliedschaft – Österreich, Schweden und Finnland –, die gestern begannen.

Wer die rhetorischen Fähigkeiten europäischer Minister weiterverfolgen will, sollte sich an die TV-Zeitschriften halten. Unter dem Stichwort „Transparenz“ ist das Programm künftig öfter bei ARD und CNN zu sehen. Unter den Entertainern selbst ist die Veranstaltung umstritten. Londons Außenminister Douglas Hurd z.B. ist skeptisch: „Ich bin nicht sicher, ob wir die interessanteste Fernsehsendung abgeben.“ dora