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Der spirituell gestimmte Steinway

■ Abdullah Ibrahim spielte solo im KITO / „Nahrung für die Seele“

Nein, allzu neu oder abwechslungsreich war es nicht gerade, was Abdullah Ibrahim im vollbesetzten KITO seinem Publikum — oder besser seiner Gemeinde — vorspielte. Und wenn man nach den seichten Synthesizerklängen seiner neusten CD urteilt, die vor und nach dem Auftritt vom Tontechniker eingespielt wurde, war das auch ganz gut so.

Sehr ernst, ohne auch nur ein Wort zu sagen, beherrschte Ibrahim die Bühne mit seiner immer etwas pathetischen Aura. Der Applaus schien ihm eher peinlich zu sein; vielleicht ließ er deshalb die Songs ineinander übergehen, so daß jeweils nur am Ende des Sets geklatscht werden konnte. Immerhin ließ er sich vom enthusiastischen Publikum zu zwei langen Zugaben hinreißen. Denn die meisten Zuschauer waren ergriffen: „Nahrung für die Seele“ nannte es einer nach dem Konzert und sprach damit offensichtlich vielen aus den Herzen, während ein anderer „ganz fertig vom Kulturstress“ war, und damit deutlich in der Minderheit blieb.

Hämmernde Ostinati, Harmonien a la Monk

Aber genauso war es: entweder man wurde von der spirituellen Stimmung erfaßt, oder man war nach einiger Zeit ein klein wenig gelangweilt und genervt. Denn Ibrahim beschränkte sich auf einige wenige künstlerische Ausdrucksmittel und wiederholte sie immer wieder: Zu Beginn des Sets sang er ein wenig; auf eine schöne Ballade folgte meist ein schepperndes Crescendo, nach einigen schrägen Harmonien a la Monk kam zur Erholung ein volksliedhaftes Motiv, und zwischendurch immer die hämmernden Ostinati und ein paar Anschläge, die ziemlich falsch klangen.

Aber genauso sicher konnte sich auch der nicht spirituellisierte Zuhörer darauf verlassen, daß in der Vielzahl von Songs, die oft nur für kurze Zeit angespielt wurden, immer wieder wunderschön klingende Juwelen auftauchten. Auch bei den eher schlichten Gassenhauern war die Ruhe und Konzentration des Pubilikums beeindruckend: da hörte man jedes Stuhlrücken, und zu den vollen Stunden peinlich laut das Piepen einiger Digitaluhren. Abdullah Ibrahim präsentierte ein prall gefülltes südafrikanisches Liederbuch — einige Songs daraus hat er allerdings schon vor zwanzig Jahren genauso gespielt.

Willy Taub

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