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»Die Klavierspielerin« als Theaterprojekt

„Winke, winke“, noch bevor das Publikum in den Aufführungssaal der HfbK gelassen wird, verjagen Mutter und Tochter, einträchtig geifernd, den Vater in das Irrenhaus „Steinhof“. Zurück bleibt eine zweiköpfige „Rumpffamilie“, eine Dyade zweier narzißtisch gestörter Frauen, die Elfriede Jelinke in ihrem 1983 erschienenen Roman Die Klavierspielerin sprachgewaltig schildert. Die Klavierlehrerin Erika Kohut, von der Mutter gedrillt und geformt, versucht durch eine Liebesbeziehung zu ihrem Schüler Walter Klemmer die Symbiose zu durchbrechen, scheitert aber nicht zuletzt an ihrer Unfähigkeit, Lust anders als in Schmerz und Gehorsam zu verspüren.

In der fleisch- und lehmfarbenen Bühne der Malerin Dagmar Rauwald, aus deren Bild „Mother sugar“ das Theaterprojekt hervorgegangen ist, agieren, kämpfen, liebkosen die beiden Frauen. Monika Barth bewegt sich größtenteils sitzend vorwärts, mit Strickjacke über die Knie gezogen. Sie ist ganz Mutterleib, verbittert, despotisch, in den Erika am liebsten hineinkriechen würde. Sylvia Schlunk spielt die arrogant-zugeknöpfte Tochter, die sich zwischenzeitlich zum Kleinstkind wandelt, versucht, die Mutter an Händen und Brüsten auszusaugen.

Mit Christian Bruhn als Klemmer stößt ein triebbedrängter Halbstarker mit patriarchalischem Balzverhalten dazu, leicht überzeichnet, somit aber auch wieder passend zu dem animalischen Frauenpaar.

Regisseurin Ute Rauwald sucht in ihrer einfallsreichen Inszenierung stets den drastischen körperlichen Ausdruck, sie verzichtet fast vollkommen auf Requisite, vertraut auf das extreme Spiel ihrer Darstellerinnen. Der Text wird aus Romanpassagen montiert, auktoriale Erzählung und Dialoge mischen sich, so daß häufig ein Bruch zwischen Darstellung und distanzierter Äußerung entsteht: Eine eigentümliche Schizophrenie, die das Theater verdeutlicht und oft zu erfrischender Komik führt. Eine Umsetzung, die der Schärfe des Romans gerecht wird. Niels Grevsen

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