Vom Fluß zur Havelautobahn?

Grüne beantragen im Abgeordnetenhaus die Ablehnung des Havelausbaus/ SPD-Umweltpolitiker von Argumenten überzeugt/ Umweltminister Platzeck hält „Projekt 17“ für „irrsinnig“  ■ Von Dirk Wildt

Berlin. Der mehrere Milliarden Mark teure Ausbau von Havel und Elbe beschäftigt in der kommenden Woche auch das Berliner Abgeordnetenhaus. Der Verkehrsausschuß wird zu dem Thema Vertreter der Binnenschiffahrt und der Umweltschutzverbände hören. Die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat beantragt, das vom Bundesverkehrsministerium bezeichnete „Projekt 17 Deutsche Einheit“ aus dem Bundesverkehrswegeplan zu streichen.

Im großen und ganzen werden die Argumente der Grünen von den Umweltpolitikern seiner Fraktion geteilt, sagte Wolfgang Behrendt, umweltpolitischer Sprecher der SPD, der taz gestern. Doch mit dem Koalitionspartner CDU habe man sich vorläufig nur darauf einigen können, daß die Argumente für und gegen den Ausbau der 280 Kilometer langen Ost-West-Wasserstraße geprüft werden. Gestern äußerte sich auch der brandenburgische Umweltminister Matthias Platzeck (Bündnis 90), der die Ausbaukosten auf sechs bis sieben Milliarden Mark schätzt, eindeutig zu dem Thema: „Das Projekt ist hirnrissig.“ Bei den Planungen sei nicht einmal berücksichtigt worden, daß das Wasser nicht ausreiche.

Ausbau für 185 Meter lange Schiffsverbände

Der Ost-West-Wasserweg steht im Zusammenhang mit insgesamt sechzehn anderen Verkehrsprojekten, denen das Bundesverkehrsministerium eine Schlüsselfunktion für das Zusammenwachsen Deutschlands beimißt, weil sie die alte Bundesrepublik und die ehemalige DDR miteinander verbinden. 29 Milliarden Mark sind dabei für neun Schienenstrecken — unter anderem die ICE-Trasse Hannover—Berlin —, 23 Milliarden Mark für sieben Autobahnneu- und ausbauten und vier Milliarden Mark für das „Projekt 17“ veranschlagt. Im Rahmen des Projekts 17 sollen im Berliner Stadtgebiet der Teltowkanal bis zum Osthafen, der Westhafenkanal bis zum Westhafen und die Unterhavel und Spree bis zur Schleuse Charlottenburg ausgebaut sowie die Schleuse selbst neugebaut werden.

Diese Ausbauten sollen es Schiffsverbänden von 185 Meter Länge und 11,40 Meter Breite ermöglichen, gleichzeitig in beiden Richtungen Flüsse und Kanäle befahren zu können. Dafür müßten die Gewässer auch auf vier Meter vertieft und auf 60 Meter verbreitert werden. Die Grünen befürchten, daß Gewässerkurven teilweise auf das Doppelte verbreitert oder weitläufig begradigt werden müßten. Mehrere Dutzend Brücken müßten neugebaut oder, soweit möglich, auf eine Durchfahrtshöhe von 4,50 Meter angehoben werden. Die betroffenen Wasserabschnitte würden mit diesen Umbauten Kriterien erfüllen, die für den Rhein entwickelt worden sind.

In ihrer Antragsbegründung bestreiten die Grünen, daß der Transport mit Gütern auf dem Wasser der ökologischste und ökonomischste sei. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sei der Energieverbrauch von Frachtschiffen höher als der der Bahn. Die Binnenschiffahrt sei gegenüber der Bahn nicht konkurrenzfähig. Der Neubau und Unterhalt von Wasserstraßen sei hochsubventioniert, die Bahn bezahle ihr Netz dagegen überwiegend aus eigener Tasche.

Wasserwege sind nur zu einem Fünftel ausgelastet

Das Ziel, den umweltpolitisch problematischen Lastwagenverkehr zu reduzieren, werde darüber hinaus verfehlt. Schließlich sei wesentliches Argument für den Transport mit dem LKW dessen Schnelligkeit und dessen Fähigkeit, praktisch jeden Zielort anfahren zu können — ein Argument gegen das Schiff. Erfahrungen wie beispielsweise mit dem Elbe-Seiten- Kanal zeigten außerdem, heißt es in dem Antrag an das Abgeordnetenhaus weiter, daß Spediteure die Bahn zu niedrigen Preisen zwangen, nachdem der Kanal eröffnet worden war. Bei dem Havelausbau könne ohnehin nicht von Verkehrsvermeidung die Rede sein, da parallel die Autobahn und die Bahnverbindung ausgebaut werden. Da schließlich die Wasserstraßen in Brandenburg zur Zeit nur zu 20 bis 30 Prozent ausgelastet seien, könnte die Menge der transportierten Güter auf dem Wasser verfünffacht werden — ohne Ausbau. Grüne wie auch die Umweltpolitiker der SPD wollen erreichen, daß nun nur soweit ausgebaut wird, daß auch Schiffe der Europaklasse nach Berlin fahren können. Die Europaschiffe sind 85 Meter lang, 9,5 Meter breit und 2,5 Meter tief.

CDU und Lobbyisten wie die Deutsche Binnenreederei sind dagegen der Meinung, daß nur das Havelprojekt die Autobahnen entlasten könne. „Es sind natürlich erhebliche Eingriffe notwendig“, bestätigte gestern Rainer Giesel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU, der taz. Elbe, Havel und Spree seien aber ohnehin keine naturbelassenen Gewässer.