piwik no script img

Bogart alias Barschel

■ Selbst finanziert: „Barschel-Mord in Genf“ von Uwe Boll und Frank Lustig

Entpuppt sich die deutsche Filmförderung zusehends Richtung Filmverhinderung? Die Filmstiftung NRW fördert den Vertrieb von amerikanischen Filmen, indem sie kleinen Kinos auf Wunsch amerikanische Vorführkopien finanziert und beim europäischen Film dazu übergeht, „risikolos“ in lachsichere Komödien und Ausstattungsfilme zu investieren. Nicht ins Raster passende Filme verschwinden oder gelangen nur eigenfinanziert ins Kino, wenn sie diesen Weg überhaupt schaffen; ein aktuelles Beispiel dafür: „Barschel-Mord in Genf“ von Uwe Boll und Frank Lustig. „Der Fall Barschel ist zu brisant“, lautete die Absage der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die als Co-Produzenten gefragt waren, der Filmstiftung NRW, der Förderung in Niedersachsen und der Filmförderung Baden-Württemberg. „Barschel- Mord in Genf“ entstand, indem alle Beteiligten ihre Gagen, Gehälter und Leihmieten zurückstellten und die Videorechte vor Drehbeginn an die UFA verkauft wurden. Mit 30 selbstvertriebenen Kopien soll der Film ab März in die deutschen Kinos kommen. Nach „German Fried Movie“ ist „Barschel- Mord in Genf“ der zweite eigenfinanzierte Kinofilm der beiden Jungfilmer Uwe Boll und Frank Lustig.

In der Anfangsszene begleitet dramatische Musik die Landung einer Linienflugmaschine auf dem Genfer Flughafen. Im nächsten Moment erscheint eine moderne Humphrey-Bogart-Figur alias Barschel (Michael Rasmussen) mit Trenchcoat und Aktenkoffer. Auf einem sonst menschenleeren Flughafen empfangen ihn ein Fotograf und der Weltwoche-Journalist Frank Garbely (Hanfried Schüttler), der die mehrmals monoton folgende Frage stellt: „Sie sind doch Uwe Barschel?“ Der Mann im Trench antwortet immer wieder „I don't understand.“ Wenig später betritt dieser Barschel sein Hotelzimmer, in dem die Schlüsselszene des Films spielt: Barschel begeht Selbstmord mit Tabletten. Er stirbt in der Badewanne. Die offizielle Version des Selbstmords beginnt und endet hier zugleich.

In „Barschel-Mord in Genf“ gibt es zwei Haupthandlungen: Ein erfolgloser Regisseur, Dr. Otto Parzer (Peter Schwab), versucht an den Erfolgsproduzenten Wittmeyer (Karl Friedrich Gerster), sein Drehbuch über den Fall Barschel zu verkaufen; in der zweiten Handlungsebene werden Rückblenden von Barschels Zeit im Hotel bis zu seinem Tod gezeigt.

Diese beiden Handlungen werden miteinander verzahnt. Während Parzer mit Wittmeyer über sein Filmprojekt redet, als ob es um sein Leben ginge, tauchen in Rückblenden drei verschiedene Varianten auf, wie Barschel im Hotel umgekommen sein könnte (Selbstmord, Selbstmord mit Sterbehilfe, Mord). Dies ist so inszeniert, daß die Bilder einerseits dokumentarisch-wirklich, andererseits klar als detektivische Vorschau aus Parzers fiktivem Film über Barschel erscheinen. Parzer will in seinem Film aufdecken, daß Barschels Tod kein Selbstmord war, indem er aufgrund Barschels politischer Vergangenheit rekonstruiert, wer von seinem Tod profitiert haben könnte.

Mit Parzers „Wahrheitssuche“ wird sowohl die Lebenseinstellung dieser Figur charakterisiert als auch das Thema des Films widergespiegelt, dessen Recherchen sich auf vorhandene Untersuchungsauflagen, Literatur von Spiegel- Redakteur Norbert Pötzl sowie weiteres Pressematerial von Spiegel, Stern und Weltwoche stützen.

Was den Film ästhetisch interessant macht, ist – wie in einem Doku-Drama – der Wechsel zwischen den beiden unterschiedlich gestalteten Handlungsebenen. Die Rückblenden wirken experimentell durch eine bewegte Handkamera, zeitweise Unschärfen, überzogene Geräusche und Zeitlupenaufnahmen von Barschel.

Im Büro Wittmeyers dominieren leider Talking Heads und dialoglastig gestaltete Handlung. Hier streift der Film die Grenze zur Publizistik und rutscht ab in Fernsehästhetik, besonders zum Ende des Films. Kerstin Krause

„Barschel-Mord in Genf“. Buch, Regie, Produktion: Uwe Boll, Frank Lustig. BRD 1993. Der Film läuft als Gegenveranstaltung zur Berlinale am 18.2. um 11 Uhr und um 23 Uhr im Filmkunst 66 in Berlin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen