Wahlen in Afrikas „Musterdemokratie“

■ Senegals Präsident Diouf hofft auf sein internationales Renommée, um sich eine dritte Amtszeit zu sichern/ Wirtschaftskrise und ein schwelender Bürgerkrieg

Berlin (taz) – Wenn die drei mächtigsten Länder Schwarzafrikas – Kenia, Nigeria und Senegal – hintereinander Wahlen veranstalten, stellen sie nicht nur ihre Besonderheiten zur Schau, sondern auch drei mögliche Wege der afrikanischen Demokratie. Kenias Präsident Daniel Arap Moi ließ sich Ende Dezember widerwillig auf freie Wahlen ein, gewann mit Mühe und Not und regiert seither weiter, als wäre nichts gewesen. Nigeria, dessen Militärjunta die eigentlich 1992 vorgesehene Demokratisierung immer weiter hinausschiebt, zeigt den Weg des Aussitzens. Senegal möchte demgegenüber gern Effizienz beweisen: Die morgigen Präsidentschaftswahlen kommen ganz regulär zum Ende der zweiten fünfjährigen Amtsperiode von Präsident Abdou Diouf, der damit bereits seine dritte ganz reguläre Wahl vor sich hat.

Mit dem Bild eines Senegal, das schon lange Demokratie praktiziert und daher in Afrika vorn liegt, hofft Diouf auch diesmal auf einen Sieg. Weltstar Diouf, der im Laufe des letzten Jahres unzählige internationale Gipfeltreffen in die Hauptstadt Dakar einberief, präsentiert sich als „Mann des Friedens“. Sein internationales Renomée soll endlich den wirtschaftlichen Aufschwung bringen, der in elf Jahren Diouf-Herrschaft und 32 Jahren ununterbrochener Machtausübung durch die Sozialistische Partei bisher ausblieb.

Denn Senegal steckt in einer tiefen Krise. Eine vertrauliche, von der Oppositionspresse im November veröffentlichte Note des Wirtschaftsministeriums konstatiert, „daß Senegal noch immer wesentlich von Auslandshilfe abhängig ist, um sein Haushaltsdefizit zu decken“, und fährt fort: „Die Staatsfinanzen verschlechtern sich kurzfrstig immer schneller, zum Punkt, wo zehn Jahre geduldiger Versuche, unsere Wirtschaft zu einem hohen sozialen Preis zu sanieren, zunichte gemacht werden.“ Nach einem Jahrzehnt Strukturanpassung ist Dakar, Vitrine des Westens in Afrika, eine Stadt sozialer Gegensätze, wo beinlose Krüppel sich auf dem Asphalt durch Autostaus wälzen und zynische Kinder Oppositionszeitungen feilbieten.

Die Besonderheiten dieses senegalesischen „Sozialismus“ prägen den Wahlkampf. Der wichtigste Gegenkandidat zu Dioufs Machtelite, Abdoulaye Wade, wäre im Weltmaßstab eher ein Rechter: Er ist Vizepräsident der Liberalen Internationale, seine „Demokratische Partei“ (PDS) genießt Sympathien bei französischen Konservativen. Doch in Senegal galt Wade lange als Widerständler. 1988 trat er unter dem Schlagwort „Sopi“ (Wandel) gegen Diouf an und verlor mit offiziell 26 Prozent gegen 73. Das Ergebnis wurde angezweifelt, Dakars Jugend ging auf die Straße, Diouf rief den Ausnahmezustand aus und steckte Wade ins Gefängnis: Eine frühe Demokratierevolte, als fast ganz Afrika noch von Einparteienregimes beherrscht war.

Seitdem hat Wade viel Kredit verloren. 1990 trat er in Dioufs Regierung ein und trat erst im letzten November zur Bekanntgabe seiner Präsidentschaftskandidatur wieder aus. Wieviele Wähler ihm sein Wendemanöver abnehmen werden, läßt sich nicht feststellen: Politische Meinungsumfragen sind in Senegal verboten. Ein Handikap für ihn ist, daß noch mehrere andere langjährige Oppositionelle kandidieren. Größeres Handikap ist aber noch die Disparität der finanziellen Mittel: Schon die Wahlspende von Chinas Kommunisten für Diouf in Höhe von 1,2 Millionen Mark ist doppelt so hoch wie die Wahlkampfbudgets der kleinsten Kandidaten, und auch Wades Kampagne gegen den „PS-Staat“ kommt wohl kaum gegen die von Dioufs Wahlkampfleiter Tanor Dieng gern erwähnten „Freunde im Privatsektor“ an.

Das unmittelbar drängendste politische Problem wurde im Wahlkampf kaum erwähnt. Im fruchtbaren Süden des Landes – der einst portugiesischen Casamance, die vom Rest Senegals durch den Kleinstaat Gambia getrennt ist – herrscht Krieg zwischen der Armee und einer Separatisten- Guerilla. In den letzten Monaten hat er mit Raketenangriffen auf den Flughafen der Regionalhauptstadt Ziguinchor und der Entsendung von 1.500 Liberia-erprobten Regierungssoldaten eine neue Heftigkeit erreicht. Vielleicht ist das Präsident Diouf sogar ganz recht: Die Kriegssorgen scharen die Wähler um den Präsidenten, und wenn in den Kriegsgebieten nicht gewählt werden kann, schadet dies vor allem Wade, der aus der Casamance stammt und dort schon 1988 die meisten Stimmen erhielt. Dominic Johnson