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"Hier gibt es Heroin zu kaufen"

■ In der Kreuzberger Mariannenstraße protestieren die Anwohner gegen die Drogenszene, die sich breitmacht, seitdem die Polizei die Fixer vom Kotti vertrieb

Kreuzberg. „Liebe Bürger! Hier gibt es Heroin zu kaufen. Frei Haus. Frei Straße. Ein freies Land. (Nur leider nicht drogenfrei. Nobody is perfect. Ein Staatskörper erst recht nicht.)“ Seit heute morgen hängen Plakate mit dieser Aufschrift an Häuserwänden und in Türeingängen der Kreuzberger Mariannenstraße, von der Ecke Naunynstraße bis zum Heinrichplatz.

„Da haben sie das Dealer-Eck mal gekennzeichnet“, sagt eine Anwohnerin, „hier stehen sie jeden Tag. Man kann wirklich überall Heroin kaufen.“ Die Spritzen lägen schon überall im Gebüsch und auf den Straßen. Vor allem für Kinder findet sie diese Zustände bedrohlich. „Gleich da vorne ist eine Kindertagesstätte, die müssen da jeden Tag dran vorbei.“ Auch in den Hausfluren und Hinterhöfen werde gespritzt und gedealt, das Verhalten der Dealer werde Nicht- Konsumenten gegenüber immer aggressiver. „Bei uns im Keller hat sich neulich eine ganze Gruppe ihre Schüsse gesetzt, und ein paar Kinder aus dem Haus haben zugeguckt“, erzählt eine andere. Als ihre siebenjährige Tochter ihr davon berichtete, hätte sie gleich die Polizei gerufen. Aber bis die kämen, seien die Fixer immer schon weg. „Man muß eigentlich wegziehen, wenn man Kinder hat.“

Seit Januar sind viele Junkies der bisher am Kottbusser Tor angesiedelten Szene auf den Mariannenplatz ausgewichen. „Vom Kottbusser Tor haben wir sie vertrieben“, so ein Beamter vom Polizei-Kontaktmobil, welches schon seit Jahren dort steht. Seit Januar steht es nicht mehr dezent an der Kottbusser Straße, sondern direkt vor der Sparkasse. Deren Direktor hatte sich über Geschäftseinbußen beschwert, seit die Fixer nicht nur vor seiner Tür herumhingen, sondern auch zweimal wöchentlich am Spritzentauschbus ihre Geräte umtauschten. „Wir stehen den ganzen Tag über hier und machen Streifen durch die U-Bahn-Anlagen.“ Seitdem sei es hier sauber. Persönlich findet er, daß die Drogen in Apotheken legal verkauft werden sollten, um den Dealern das Handwerk zu legen.

Otmar Gutfleisch, Drogenkoordinator des Bezirksamtes Kreuzberg, ist über die Zusammenarbeit mit der Polizei nicht so glücklich. Allein ihre Präsenz reiche aus, um die Abhängigen vom Besuch des Spritzentauschbusses abzuhalten. Er könne die Verbitterung der Anwohner angesichts Drogenhandels in den Hausfluren, vermehrter Kellereinbrüche und der Verwahrlosung des Platzes verstehen. „Es gibt seit vier Jahren keine öffentliche Toilette am Kottbusser Tor, das Neue Kreuzberger Zentrum kommt seinen Sanierungsverpflichtungen nicht nach, die Marktstände werfen ihren Müll einfach auf die Straße.“

Das Bezirksamt habe in diesem Jahr erstmals der Relevanz des Drogenproblems Rechnung getragen. Eine Kotti-Runde mit dem Bürgermeister, verschiedenen Stadträten und Streetworkern soll sich im März konstituieren. „Wir wollen die Drogenszene nicht zerschlagen, sondern kontrollierend eingreifen.“ So seien Gesundheitsräume geplant, das Urbankrankenhaus habe eine Konzeption für die ambulante Behandlung Drogenabhängiger entwickelt und wolle sich am Substitutionsprogramm beteiligen.

„Man kann aber nicht von einer spezifischen Kreuzberger Szene oder einem hausgemachten Kreuzberger Problem reden. Kreuzberg ist der Umschlagplatz für harte Drogen wie Heroin und Kokain für die ganze Stadt.“ Andere Bezirke aber verweigerten sich der Verantwortung. Nur in Kreuzberg gebe es beispielsweise Spritzenautomaten. Corinna Raupach

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