: Alte und neue Hüte
■ Günter Jacob sprach in der Roten Flora "Zur Aktualität von Malcolm X"
sprach in der Roten Flora »Zur Aktualität von Malcolm X«
Neben der Schwierigkeit, auf Rapper und schwarze Leitfiguren die aus Rock und Hard Core bekannten Glaubwürdigkeits-Muster anzulegen, signalisierte die Debatte in der Roten Flora am Samstag die Wichtigkeit, bei strittigen und unstrittigen Punkten die diskursfördernden herauszufiltern.
Als der Journalist Günter Jacob während seines Referats über die Aktualität von Malcolm X einstreute, daß der Mainstream der Schwarzen in den USA vornehmlich an gesellschaftlicher Integration interessiert sei, entzündete sich eine Kritik aus Abgrenzungswut und Ressentiments gegenüber Jacobs vermeintlich „Definitionsmacht“ repräsentierenden Ausführungen. Jacob behandelte und sah sich gleichzeitig konfrontiert mit dem Zusammenhang von Rezeptionsmechanismen und Selbstverständnis.
Unter den Rezeptionsmechanismen finden sich sowohl perfide Techniken als auch der alte Hut, einem Mangel an Verständnis für eine Haltung verstärkt Schritte zu deren Vereinnahmung folgen zu lassen. Als paralleles Beispiel führte ein Diskussionsteilnehmer eine Idee aus Spex an, Boris Becker, Madonna und den Rapper Ice Cube in einen Topf zu werfen, weil alle drei neben ihren Haupttätigkeiten auch als Geschäftsführer der von ihnen gegründeten Firmen auftreten.
Vereinnahmung plus Ignoranz erlebte Jacob kürzlich bei dem Sender Premiere. Über die „Besetzung“ bei der Interview-Reihe 0137 entscheiden die Zuschauer. Deren Votum verhinderte einen Beitrag von Jacob – ebenfalls zum Thema Malcolm X. Die Mehrheit wollte sich lieber den vom Volksschauspieler Bayrhammer behaupteten Niedergang bayerischer Kultur auf die Nase binden lassen.
Die Vereinnahmung, der ein Mißverständnis zugrunde liegt, erläuterte Jacob dann am Beispiel der Parole „By all means necessary“. Durch Verwurstung in der Rezeption nach rechts verschoben, mündet deren sinngemäße Übersetzung vielerorts in die Aufforderung, „im sozialen Durchsetzungskampf den Erstschlag zu führen“. Den scharf zu kontrastierenden politischen Vorstellungen von Malcolm X steht dessen ungenaues öffentliches Bild gegenüber. Jacob bezeichnete eine Grundlage für diesen Zusammenhang, indem er auf die erhöhte Attraktivität eines erfolgreichen Kämpferindividuums gegenüber etwa einer Partei wie den Black Panthers verwies. Unbestritten blieb die Wichtigkeit, die Haltungs- Mosaiksteine auseinander zu halten und nicht gegenseitig aufzurechnen. Dem versuchte in der Flora eine Debatte zu entsprechen, in der weniger Issues zur Sprache kamen, als vielmehr Kolportage über Analyse gestellt wurde. Kristof Schreuf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen