: Ostmitteleuropa macht die Ostgrenzen dicht
■ Bilaterale Vertragsnetze zur „Rückführung“ von Flüchtlingen
Berlin (taz) – Eine Sprecherin des tschechischen Innenministeriums wiederholte es gleich dreimal: Nein, Prag werde keine aus Deutschland abgeschobenen Flüchtlinge aufnehmen. Nein, es sei bei den Verhandlungen der Innenminister von sechs ostmitteleuropäischen Staaten nicht über die finanziellen Forderungen für die Aufnahme dieser Flüchtlinge diskutiert worden, denn man werde diese ja gar nicht aufnehmen. Nein, das sei kein deutsch-tschechisches Problem, denn keiner der in Prag anwesenden Staaten wolle „illegale Einwanderer“ aufnehmen.
Und so wird hinter den Prager Aussagen dann auch die Strategie der von dem deutschen „Asylkompromiß“ betroffenen Staaten deutlich. Wenn die Bundesrepublik in Zukunft Flüchtlinge, die aus sogenannten „sicheren Drittstaaten“ nach Deutschland einreisen wollen, schon an ihrer Grenze zurückweisen wird, werden die Ostmitteleuropäer ihr nicht nachstehen. Auch sie werden die Einreise „unerwünschter Personen“ mit Visaregelungen und schärferen Grenzkontrollen zu verhindern wissen.
Und auch das Problem der sogenannten „Altfälle“, 40.000 aus der Tschechischen Republik bzw. der ČSFR nach Deutschland eingereiste Flüchtlinge, ist für Prag vom Tisch. „Diese werden nicht Gegenstand unseres Vertrages mit Deutschland sein.“
Deutlich wurde bei den Prager Verhandlungen am Dienstag aber auch, daß sich nicht nur die Gastgeber, sondern auch Polen, Ungarn, die Slowakei, Slowenien und Österreich gezwungen sehen, rasch auf die deutschen Pläne zu reagieren. Daher verzichten sie darauf, wie geplant ein multilaterales Abkommen zwischen allen beteiligten Staaten zu schließen. „Eine schnelle Lösung wird nur durch bilaterale Verträge möglich“, so die Sprecherin. Entstehen muß also ein Vertragsgeflecht nicht nur zwischen den Staaten, durch die die Abschiebung der Flüchtlinge führen soll. Notwendig sei außerdem, daß auch Deutschland mit den Herkunftsländern „Rückführabkommen“ schlösse. In diesen sollen sie die Aufnahme ihrer Staatsbürger garantieren.
Doch auch wenn es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist, ein multilaterales Abkommen zu erarbeiten, so streben die Staaten für die Zukunft doch eine „Harmonisierung des Asylrechts“ an. Und auch die bilateralen Abkommen sollen „Standardverträge“ mit weitgehend gleichlautenden Regelungen werden: „Notwendig ist eine komplexe Lösung, das Vertragsgeflecht soll so weit wie nur möglich nach Osten reichen.“
Ob dieses Vertragsgeflecht jedoch tatsächlich schneller zu erstellen ist, als ein multilaterales Abkommen scheint fraglich. Schließlich ist nur allzu bekannt, daß die Beziehungen zwischen einigen der zukünftigen Vertragspartner nicht gerade die besten sind. Zwar wurde bei den Verhandlungen über die Teilung der ČSFR ein Rückführabkommen zwischen der Tschechischen Republik und der Slowakei erstellt, ein ähnlicher Vertrag zwischen der Slowakei und Ungarn existiert aber noch nicht. Das gemeinsamen Bestreben, die Flüchtlinge möglichst weit von den eigenen Grenzen fern zu halten, wird zudem von Ungarn „unterlaufen“. Mit Blick auf die starke ungarische Minderheit in Rumänien lehnte Budapest es im Gegensatz zu den anderen Staaten ab, eine Visapflicht für rumänische Staatsbürger einzuführen. her
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