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Liften statt NöNöNö

■ Wie der "Spiegel" auf die Konkurrenz von "Focus" reagiert

Für Adolf Theobald gibt es keinen Zweifel: „Vom Spiegel“, so schreibt er in der neuesten Ausgabe der Zeit „trennen Focus Welten.“ Ein Resümee, das in den Redaktionsstuben des Spiegel so viel Begeisterung auslöste, daß man es in der heute erscheinenden Ausgabe nachdruckte. Ohne dem Leser allerdings mitzuteilen, daß Theobald dem Spiegel bis vor eineinhalb Jahren als Verlagsgeschäftsführer angehörte.

Kleiner Schönheitsfehler? Vielleicht. Das eilends ins Blatt gehobene Zitat dürfte aber auch Ausdruck jener Nervosität sein, die die Hamburger Magazinmacher angesichts rascher Focus-Verkaufserfolge ergriffen hat. Oder, wie es ein Spiegel-Redakteur ausdrückt: „Die haben mehr Muffe, als sie zugeben.“

So ganz unbegründet ist die leichte Focus-Phobie nicht. Zwar versichert Spiegel-Verlagsleiter Burkhard Voges, daß die Auflage des Spiegel (1,15 Millionen) in den zehn Wochen seit Erscheinen der ersten Focus-Ausgabe nicht gesunken sei, die durchschnittlichen Verkaufszahlen gegenüber dem Vorjahr gar um fünf Prozent gesteigert werden konnten. Aber auch Voges muß eingestehen: Focus gelingt, was der Spiegel bisher nicht geschafft hat: Verkaufserfolge im Osten und, besonders ärgerlich, bei jungen Lesern (die Auflage liegt laut Focus-Chef Helmut Markwort bei über 500.000).

Konnte man die geringen Verkaufszahlen bei den unter 30jährigen bisher gelassen hinnehmen, da die Nachrichtenmagazin-Kundschaft mangels Alternativen später ohnehin zum Spiegel greifen mußte, befürchten die Verlagsmanager jetzt langfristig Auflagenverluste. Der potentielle Spiegel- Nachwuchs, so das Szenario, könnte sich an das bunte Münchener Magazin gewöhnen und, journalistische Qualität hin oder her, auf einen altersbedingten Sprung zum leicht angestaubten Augstein- Blatt verzichten. Kein Wunder, daß die Spiegel-Macher derzeit fieberhaft daran arbeiten, das Erscheinungsbild ein wenig zu liften. Erstmals in der 45jährigen Geschichte des Magazins wurde kurz nach dem Erscheinen des Focus ein Art-Director verpflichtet, der das Layout in einem „sanften Prozeß“ überarbeiten soll. Trend: Kürzere Stories, größere Fotos, mehr Graphiken, mehr Farbe, mehr Platz für Kurznachrichten.

Zwar wird Spiegel-Chefredakteur Hans Werner Kilz nicht müde zu betonen, daß das Layout des Blattes seit 1989 kontinuierlichem Wandel unterworfen sei und es doch außerdem wirklich nicht schade, „wenn unsere Nullachtfuffzehn-Ware ein bißchen kürzer wird“. Mit Focus, so Kilz, „hat das nichts zu tun“. Unterhalb der Chefetage wird die neue Spiegel- Linie ein wenig anders beurteilt. Natürlich hätten Graphikflut und eilige Installation einer neuen Nachrichtenseite mit dem nichtssagenden Titel „Forum“ etwas mit Focus zu tun. „Das sind Panik-Reaktionen“, urteilt ein Redakteur. Und zwar nicht die letzten. In sechs Wochen etwa, so die interne Planungsvorgabe, soll die nächste Etappe der Verjüngungskur folgen: Farbige Bilder auch in den vorderen Teilen des Hefts und der für Nachrichtenmagazine inzwischen obligatorische rote Strich über dem Seitenkopf.

In München wird die hektische Geschäftigkeit der Hamburger mit Schadenfreude begleitet. „Wir amüsieren uns“, spottet Helmut Markwort, „die können das nicht richtig.“ „Auf ein altes, graues Magazin ein bißchen Farbe zu gießen“, das reiche nun mal nicht. Und auch bei den Hamburger Redakteuren sorgte die ebenso verspätete wie übereilte Reaktion auf das Erscheinen des Focus für ein leichtes Murren: Änderungen hätte man besser vor dem Erscheinen des Konkurrenten vorgenommen und nicht Wochen danach.

Zu lange, so scheint es, hat der Spiegel der Linie seines Geschäftsführers Adolf Theobald vertraut, die er 1987, damals noch in Amt und Würden, in der Zeit vertreten hatte: Ob er denn gedenke, wollte das Blatt wissen, künftig neue Abonnenten zu umwerben. Theobalds knappe Antwort: „Nö“. Vielleicht neue Zielgruppen ansprechen? „Nö“. Auflagensteigerung durch gezieltes Marketing? „Nö“. Das haben sie wohl nicht nötig? „Nö“. Uli Exner

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