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Stolpe bricht sein Versprechen

■ Potsdamer Kabinett opfert ein 380-Einwohner-Dorf in der Lausitz dem Braunkohleabbau / Bündnis-90-Minister stimmen dagegen / Massive Proteste vor Ort / Verfassungsklage angekündigt

Potsdam/Horno (AP/dpa/taz) Trotz massiver Proteste aus der Bevölkerung wird die Gemeinde Horno in Brandenburg der Braunkohle zum Opfer fallen. Das Kabinett in Potsdam beschloß am Dienstag, daß zur Weiterführung des Tagebaus die 380-Seelen-Gemeinde in der Lausitz umgesiedelt werden muß. Besonders erbost sind die BürgerInnen von Horno über ihren Ministerpräsidenten. Manfred Stolpe (SPD), der hatte ihnen versichert, die Entscheidung über die Zukunft des Braunkohleabbaus in der Region werde nicht gegen ihren Willen getroffen. Doch im Kabinett sah dann alles ganz anders aus: Überraschend hatten die SPD-Minister eine Vorlage eingebracht, die die „bergbauliche Inanspruchnahme des Ortes Horno“ vorsieht. Auch Stolpe sprach sich für diese Variante aus.

Die Entscheidung zu Horno war mehrfach verschoben worden und hatte heftige Diskussionen in der Potsdamer Ampelkoalition ausgelöst. Am Ende zogen auch die über das nicht abgesprochene Vorgehen der SPD irritierten FDP-Minister mit. Nur Umweltminister Mathias Platzeck und Bildungsminister Roland Resch, beide vom Bündnis 90, stimmten gegen das Ende von Horno.

Manfred Stolpe lobte, daß mit der Entscheidung jetzt endlich Planungssicherheit für die Lausitzer Braunkohle hergestellt sei und versuchte die enttäuschten Hornoer gleich mit einem neuen Versprechen aufzumuntern: Mit der Entscheidung würden 5.000 Arbeitsplätze in dieser Region direkt und weitere 5.000 im Umfeld gesichert. Ansonsten hielt sich der Ministerpräsident ein weiteres Hintertürchen offen: Die entgültige Entscheidung über den Abriß, der nicht vor 1999 zu erwarten sei, liege ja nicht beim Kabinett, sondern bei der Lausitzer Bergbau AG (Laubag). Er, Stolpe, würde es begrüßen, wenn der Abbau des Dorfes vermieden werden könnte.

Ablehnend äußerte sich Umweltminister Platzeck: Der von der Laubag geplante Tagebau auf dem Gebiet von Horno sei keineswegs „lebenswichtig und zukunftsträchtig“ für die Region. Die Braunkohle sei ein umweltschädlicher Energieträger, „der uns nicht durchs nächste Jahrhundert tragen wird“. Das sieht auch der Hornoer Bürgermeister so: Langfristig habe die umweltschädliche Braunkohle doch keine Chance. Mit der Umstrukturierung der Wirtschaft müsse besser heute als morgen begonnen werden.

Ein anderes Argument gegen die Potsdamer Kabinettsentscheidung führt der Verband der Sorben, „Domowina“, ins Feld. Die Sorben sehen darin einen Bruch der Landesverfassung, die in Artikel 25 den Schutz und die Erhaltung des angestammten sorbischen Siedlungsgebietes garantiert. Der stellvertretende Vorsitzende der Domowina, Harald Konzack, kündigt Verfassungsklage an. Horno sei seit tausend Jahren sorbisches Siedlungsgebiet.

Besonders entsetzt seien die Sorben, daß die demokratische Regierung die „Energiepolitik der DDR“ weiterbetreibe. Zu Zeiten des Arbeiter-und-Bauern-Staates wurden zahlreiche Dörfer in der Region einfach weggebaggert.

Die Laubag argumentiert, mit der Kabinettsentscheidung könnten mehrere hundert Millionen Tonnen Kohle kostengünstig abgebaut werden. Beim Stopp der Bagger vor der Gemeinde ginge dem 3.000-Megawatt-Kraftwerk Jänschwalde, das derzeit für 4,5 Milliarden Mark modernisiert wird, ab dem Jahr 2000 die Kohle aus. Unterdessen haben die Hornoer weitere Protestaktionen angekündigt. Freiwillig werde in Horno niemand sein Grundstück an die Laubag verkaufen, erklärt der Bürgermeister. Die Verhandlungen und möglichen Enteignungen sollen Verkäufe kleiner Grundstücke verkomplizieren und blockieren. Zur Sicherung ihres Dorfes wollen die BürgerInnen rund 80.000 Quadratmeter Boden an Parteien, Vereinigungen und Privatpersonen verkaufen.

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