: Rechnungshof guckt in Parlamentarier-Geldbeutel
■ Bericht rügt illegale Parteienfinanzierung / Bremer Abgeordnete befinden sich im Kaufrausch
Herbe Kritik am Umgang der Parlamentarier mit dem Geld: Zum ersten Mal hat der Rechnungshof die Verwaltung der Bürgerschaft unter die Lupe genommen, einschließlich der Abgeordneten. Erste Ergebnisse sind durchgesickert. Die Vorwürfe: Unerlaubte Parteienfinanzierung, dubiose Abrechnung von Sitzungsgeldern, merkwürdige Einkäufe und teure Geschäftsführung.
Nach dem Paragraphen 37a des Abgeordnetengesetzes kann jede VolksvertreterIn bis zu 500 Mark im Monat zusätzlich zur normalen Aufwandsentschädigung abrechnen: Für Büropersonal und Büroausstattung zum Beispiel. So ganz exakt ist das aber nicht definiert. Entsprechend breit ist die Palette dessen, was einzelne Abgeordnete als „Ausstattung“ definiert haben. Ein Aktenkoffer für 500 Mark, Spiegelreflexkameras, eine für über 1.800 Mark, eine Videokamera für über 2.100 Mark. Wahrscheinlich wurden da die Redeversuche an den neuen Rednerpulten aufgenommen. Davon wurden nämlich zwei Stück angeschafft, zum stolzen Preis von je 3.400 Mark. Die Übungsfilme konnten dann gleich auf den Videorecordern und Farbfernsehern angeguckt werden. Das gehöre nicht zur Ausstattung einer Bürogemeinschaft, meint der Rechnungshof. Bezahlt werden konnten all die Kostbarkeiten über kumulierte 37a-Mittel, meist mehrerer Abgeordneter in einer Bürogemeinschaft. So kam auch das Geld für Zeitungsannoncen einer Bürogemeinschaft für über 17.000 oder für Einbaumöbel und eine Teeküche für denselben Betrag zusammen.
So skurril die Einkaufsliste auch aussehen mag, die merkwürdigen Konsumgewohnheiten stehen nicht im Zentrum der Rechnungshof-Kritik. Dem geht es eher noch um systematische Fragen: Viele der Abgeordneten arbeiteten in unmittelbarer räumlicher Nähe zur entsprechenden Partei. Da sei es völlig klar, daß öffentlich finanzierte Ausstattung von der Partei mitgenutzt werde, und das sei unerlaubte Parteienfinanzierung. Stutzig geworden ist der Rechnungshof bei einer Bürogemeinschaft von acht Abgeordneten, die fast 10.000 Kopien pro Monat auf Kosten der öffentlichen Hand abrechnete. Im Monat vor der Bürgerschaftswahl waren es sogar rund 25.000. Da liegt der Verdacht nahe, daß auch die Partei profitiert hat.
Der Rechnungshof plädiert für die Auflösung der Bürogemeinschaften. Die Belege beweisen, daß nicht mehrere Abgeordnete dieselben Einrichtungen benutzten, sondern jede einzelne noch eine zusätzliche Ausstattung für zuhause angeschafft hatte. So verfügt eine Bürogemeinschaft mit 33 Mitgliedern über immerhin 14 Telefax-Geräte. Nicht unbedingt ein Medium, über das man mit der Bürgerin in Kontakt kommt, meint der Rechnungshof.
Ein weiterer großer Kritikpunkt im Bericht ist die Abrechnung von Sitzungsgeldern. Abgeordnete und Deputierte erhalten 30 Mark pro Sitzung, BremerhavenerInnen 35 Mark und eine Fahrtkostenpauschale. Dabei kommen abenteuerliche Summen heraus, die auf einen Sitzungsmarathon mancher Mandatsträger schließen lassen. In einem Stichprobenmonat seien von einem Abgeordneten 45 Sitzungen abgerechnet worden. Dahinter machen die PrüferInnen ein dickes Fragezeichen.
Bei den Fraktionen hat der Bericht ein höchst unterschiedliches Echo ausgelöst. Während CDU und SPD erkennbar mehr in die Mangel genommen werden, als FDP und Grüne, ist bei den kleineren Fraktionen die Reaktion eher gelassen. Dieter Mützelburg von den Grünen erklärte, am sinnvollsten sei es, den ganzen umstrittenen Paragraphen 37a zu streichen und eine geringere Summe pauschal zu zahlen. Genauso sollte nach seiner Meinung mit den Sitzungsgeldern verfahren werden: Eine pauschale Zahlung und Abzüge bei Nichterscheinen. Ähnlich wird bei der FDP argumentiert. Ulrich Berlin meinte auf Nachfrage, die Liberalen könnten der Streichung des Einkaufsparagraphen zustimmen. Nur sofort sei das vermutlich nicht zu machen, da etliche Abgeordnete das Geld schon längerfristig verplant hätten. Ansonsten träfe die Kritik eher SPD und CDU: Mit „ungenierterer Zugriffsmentalität.“
Bei der CDU weilten alle Auskunftsberechtigten in den Osterferien, und auch Claus Dittbrenner (SPD) wollte nicht viel sagen: klar sei, daß man den Abgeordneten keinen Vorwurf machen könne und daß Partei und Fraktion streng getrennt arbeiten. Jochen Grabler
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