: Basis sagt ja zur grünen Vernunftehe
■ Mitglieder von Bündnis 90 und Die Grünen votieren bei Urabstimmung für die Vereinigung
Berlin/Bonn (taz) – Glückliche Gesichter bei der Prominenz des Bündnis 90 gestern um 16.35 Uhr im Haus der Demokratie in der Berliner Friedrichstraße: 87 Prozent der Parteimitglieder stimmten nach dem vorläufigen Ergebnis der Urabstimmung über die Vereinigung mit den Grünen mit Ja. Von den 2.620 Mitgliedern des Bündnis 90 hatten sich 1.572 an der schriftlichen Urabstimmung beteiligt. Der Bundestagsabgeordnete Gerd Poppe lobte erleichtert das eigene Parteivolk: „Wenn es um entscheidende Fragen geht, entscheidet die Basis immer vernünftig.“
Bei den Grünen in Bonn zeichnete sich gestern nach der Auszählung der Hälfte der Stimmen ebenfalls eine Mehrheit ab, die eher an DDR-Wahlergebnisse als an eine streiterprobte Partei erinnerte. Die Grünen hatten 35.454 Mitglieder angeschrieben, von denen rund 17.500 geantwortet hatten. Von letzteren hatten 91 Prozent ihr Ja zur Vernunftehe gegeben, 7,5 Prozent mit Nein gestimmt und 1,5 hatten sich enthalten. „Einfach fabelhaft“, kommentierte der Vorsitzende des Sprecherrates der Grünen, Ludger Volmer, in Bonn dieses Zwischenergebnis.
Bis zur Bekanntgabe der Ergebnisse waren die Spitzen beider Parteien in ihrem Zweifel an der Zustimmung der Basis vereint. Insbesondere beim Bündnis war die erforderliche Zweidrittelmehrheit keinesfalls sicher. Denn allen verkaufstechnischen Argumenten zum Trotz vollzieht sich die Fusion beider Parteien, zumindest formal, als Beitritt der Bürgerbewegung zu den Grünen. Eine anfangs debattierte Auflösung beider Partner mit anschließender Neugründung war an Einwänden von Grünen gescheitert. Insbesondere für das Problem, wie man die grünen Finanzströme in eine völlig neue Organisation hätte umleiten können, fand sich keine passable Lösung. So mußten sich die Grünen den – als „formaljuristisch“ apostrophierten Beitritt des Bündnisses mit teilweise gravierenden Satzungsänderungen erkaufen. Symbolisch überfrachtet und auf dem letzten Parteitag in Hannover noch heftig umstritten war die Namensfrage. Die Grünen haderten um den Verlust ihrer Identität, das Bündnis drohte — am Ende erfolgreich — mit dem Scheitern der Urabstimmung. So wird künftig der Name der aufgelösten Organisation Bündnis 90 vor dem der Grünen rangieren.
Durchsetzen konnte das Bündnis auch die Quotierung des gemeinsamen Spitzengremiums. Dem ersten gemeinsamen Bundesvorstand der auf dem Vereinigungsparteitag im Mai gewählt werden soll, werden mindestens drei Mitglieder des Bündnisses angehören. Einer der beiden Sprecherposten, für den die ehemalige brandenburgische Bildungsministerin Marianne Birthler kandidiert, ist dem Bündnis in der neuen Satzung versprochen. Im Länderrat, dem höchsten beschlußfassenden Gremium zwischen den Parteitagen verfügt künftig eine Zweidrittelmehrheit der Ostdelegierten über ein Vetorecht.
Mit der Urabstimmung beenden die künftigen Partner einen eineinhalbjährigen, mühsamen und enervierenden Annäherungsprozeß.
Insbesondere die Bürgerrechtler hatten erhebliche Bedenken, angesichts der grünen Mitgliederdominanz in einer gemeinsamen Partei vereinnahmt zu werden. Umgekehrt gab und gibt es grünes Unbehagen, das Bündnis könne zu einer Aushölung liebgewonnener grüner Essentials beitragen. Kommentar Seite 10
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