: Ein langer Weg zum„Wir“
■ Die türkische Dichterin Gülbahar Kültür war beim Wir“-Theaterfest
„Achtet darauf, daß dies keine Eintagsfliege bleibt“ hatte der Mit-Organisator und Schauspieler Wolfgang Pauls letztes Jahr am Ende des ersten deutsch- ausländischen Theaterfestes gesagt, bevor er Bremen verließ. — Es blieb auch nicht bei einem Mal. Auch dieses Jahr, am Freitag abend, bestand das Publikum des „Wir“_Festes im Goethe-Theater aus einer kulturell bunten Mischung. Zusammen mit deutschen und nicht-deutschen KünstlerInnen gelang es den VeranstalterInnen erneut, einen Hauch von „Wir“-Gefühl entstehen zu lassen. Über 20 Auftritte und fast 150 Mitwirkende traten auf.
Als eine langjährige Kennerin von deutsch-ausländischen Festen bleibt bei mir nach jedem Fest ein zartbitterer Geschmack zurück. Feste dieser Art haben immer wieder den Anspruch, ein „Wir“-Gefühl entstehen zu lassen. Ob es nun „Woche der ausländiscchen Mitbürger“, „Tag der Offenen Tür“ oder „Deutsch-türkisches Freundschaftsfest“ heißt, während meiner 14jährigen Deutschlandkarriere mußte ich wiederholt die Erfahrung machen, daß sich dieses „Wir“-Gefühl leider überwiegend auf der festlichen Ebene zeigte. In der politischen Auseinandersetzung herrscht immer noch ein Schneckentempo.
Sicherlich ist dem gewohnten Publikum solcher Feste auch aufgefallen, daß es sich meistens um die gleichen BesucherInnen handelt: „Wir unter uns“. Dem Goethe-Theater ist es jedoch zum zweiten Mal gelungen, eine angenehm bunte Publikumslandschaft anzulocken. Also ist etwas anderes doch möglich! Immer noch hat es etwas Exotisches, wenn solche gelungenen Feste stattfinden, obwohl Menschen verschiedener Kulturen seit über drei Jahrzehnten in Deutschland zusammenleben. Zur Entstehung eines „Wir“-Gefühls ist es noch ein langer Weg.
Wünschenswert ist es, daß Kulturstätten wie das Goethetheater die Türen nicht nur einmal im Jahr für Begegnungen in so großem Umfang öffnen. Damit so ein Fest nicht einen Hitparadencharakter bekommt, wäre es sinnvoller, einen solchen Abend auf mehrere Veranstaltungen durch das ganze Jahr zu verteilen.
Sicherlich würden Feste mit internationalem Charakter dem Publikum mehr geben, wenn man auf die langen gutgemeinten Erklärungen der inländischen ModeratorInnen im Zusammenhang mit Rassismus verzichten würde.
Das deutsch-ausländische Theaterfest im Theater am Goetheplatz war gelungen. In einer Zeit, wo sich einige Bremer PolitikerInnen immer wieder in der Öffentlichkeit fragen, wieviel Fremdes die Deutschen ertragen können, tut es gut festzustellen, daß die Bühne und das Publikum des Goethetheaters mindestens 20 Nationalitäten und eine Begrüßung in 15 Sprachen „ertragen“ konnten. Gülbahar Kültür
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