■ Regierung und Opposition schließen eine „Asyl-Lücke“: Exterritorial interniert
„Draufsatteln wird mit der SPD nicht möglich sein!“ Die beschwörenden Worte des innenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Gerd Wartenberg, fallen in der Bundestagsdebatte vom 4. März, wo es u.a. um ein „Sonderverfahren“ für Asylbewerber auf Flughäfen geht. Dies sei nicht vereinbart, dieser Punkt werde bei der SPD keine Chance haben! – so Wartenberg – bis vorgestern.
Jetzt hat Rittmeister Seiters draufgesattelt, und wieder sind die maßgeblichen Innenpolitiker der SPD leise stöhnend eingeknickt.
Es geht um die Asylbewerber, die aus sogenann-
ten sicheren Ländern einfliegen oder bei der Lan-
dung über keine ausreichenden Einreisedokumente
verfügen. Sie werden „exterritorial“ festgehalten,
um sie möglichst schnell wieder der Fluglinie, die
sie gebracht hat, zum Rücktransport zuführen zu
können.
Formal gesehen werden die Flüchtlinge künftig noch einen Asylantrag stellen können. Werden sie von der Außenstelle des Bundesamtes im Turbo-Verfahren abgelehnt, müssen sie innerhalb von drei Tagen Rechtsmittel einlegen. Wer wird ihnen das vermitteln, wer wird ihnen beratend zur Seite stehen? Wie sollen sie Rechtsanwälte finden? „Exterritorial“ – das gibt es juristisch überhaupt nicht – wird zu einem Synonym von „rechtsarmem“, wenn nicht gar „rechtsfreiem Raum“. Behördenhandeln läßt sich dort noch schwerer kontrollieren als bisher.
Die Fluchthilfeorganisationen des Kalten Krieges — sind allemal cleverer als Bundesgrenzschutz und Bundesregierung. Letztere wird im Draufsatteln konsequent bleiben und Verschärfung über Verschärfung durchzusetzen versuchen. Dies geht, wie der Entwurf für Artikel 16a zeigt, längst auf Kosten jeglicher Rechtsstaatlichkeit. Damit ist ein Weg vorgezeichnet, der ins rechtliche und humane Nirgendwo führt. Das große Ziel ist die Abschottung der Bundesrepublik vor Flüchtlingen. Dieses Ziel ist angesichts wachsender Flüchtlingsnot nicht erreichbar. Die Menschen werden kommen, auch, aber nicht nur in die Bundesrepublik. Sie werden, überlassen sie sich Flucht-Profis, immer höhere Preise dafür zahlen und wegen der verschlechterten Rechtslage ihre Papier-Idenität weitgehend opfern müssen. Nur ohne Papiere, Tickets und Hinweise auf ihren Fluchtweg, ja auf ihr Heimatland, werden sie Aufnahmechancen sehen. Diese werden ihnen immer mehr genommen. Am Ende steht die Illegalität. Sie ist für alle Seiten die denkbar schlechteste Lösung des Flüchtlingsproblems. Herbert Leuninger
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