■ Standbild: Neue Sinnfreiheit
„Riskier was!“, werktags, Sat.1, 16.45 Uhr
Leuten mit „Tagesfreizeit“ wird es nicht neu sein: die wochentägliche Fernseh-Zwangspause zwischen den Abenteuern der bezaubernden Mrs. Peel und den Erlebnissen des genialen Nihilisten Al Bundy wird seit einiger Zeit um eine halbe Stunde verkürzt. Seit Ende April erfreut uns nämlich von Montag bis Freitag Gundis Zambo mit ihrer Bildschirmpräsenz. Was uns allerdings die nette Barbiepuppe von nebenan lächelnd präsentiert, ist nicht ganz einfach zu erraten. Eine Show für Leute, denen der „Große Preis“ zu kompliziert ist? Ein bewegtes Testbild? Oder gar eine wunderbar konsequente Parodie schlechter Quizsendungen?
Gespräche von fast eleganter Sinnfreiheit – Gundis: „Josef, was machst du denn so?“ Josef: „Ja, ich bin Bewährungshelfer.“ Gundis: „Oh, das ist interessant!“ Josef: „Tjaha, das ist interessant“ – wechseln mit Ratespielchen von einem Schwierigkeitsgrad, daß jeder versetzungsgefährdete Achtkläßler einen Start-Ziel-Sieg landen könnte. Dennoch schafft es der Sender – und das macht die Sendung so wertvoll –, Kandidaten einzuladen, denen auch diese Fragen den Schweiß auf die Stirn treiben.
Zambo: „Welche der“ (vorgegebenen) „Künstler gehören zu den Expressionisten? Hört sich schwer an, ist es aber nicht!“ Stimmt: Franz Marc: expressionistischer Maler? Oder vielleicht eher ein Staat in Lateinamerika? Bekannter Büchsensuppenfabrikant? Emil Nolde: Autobahnkreuz in Süddeutschland? Hotel in einem James- Bond-Film? Egal, es können ja nicht alle verlieren („war total nett, euch kennenzulernen!“), und wer am wenigsten Gelegenheit hat, das Wort zu ergreifen, kommt bestimmt weiter.
Wenn ich richtig gezählt habe, hat es Bewährungshelfer Josef sogar mit zwei Antworten ins Finale geschafft. Bei einer davon habe er raten müssen, gesteht er und packt einen „fantastischen Laser-Disk-Kombinationsspieler“ ein, der auch hobeln, toasten und tapezieren kann. Während sein Phlegma bis zum Schluß die Oberhand behält, gibt sich Gundis offen der Begeisterung hin: „Krchch haha, ja das ist unglaublich, ist ja gigantisch!“ Angesichts dieser Euphorie drängt sich der Verdacht geradezu auf, daß die zur Schau getragene Überraschung der Moderatorin, wenn die elektronische Spielwand die Kandidatenantwort als richtig wertet, keineswegs gespielt ist. Und als Kandidat Michael im Finale in der Lage ist, aus den Namen von sieben Wirtschaftsmächten und fünf Dritte-Welt- Zwergstaaten die G-7-Länder herauszuraten, ist das für Gundis Wahnsinn: „Mein Gott, ich schreie los, das gibt's ja gar nicht, da wird man ja hysterisch, Wahnsinn, Wahnsinn, toll...“ Schreit's los und wird wahnsinnig. Martin Sonneborn
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